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Mit dem Militär gegen Mursi

Kersten Knipp / gri4. Juli 2013

Die Gegner des abgesetzten ägyptischen Präsidenten Mursi hatten das Militär um Unterstützung gebeten. Doch nicht alle sind glücklich über diese Allianz. Seit dem Sturz Mubaraks spielt das Militär keine klare Rolle.

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Panzer nahe dem Präsidentenpalast in Kairo (Foto: Reuters)
Ägypten Kairo ProtestBild: Reuters

Die Bitte um Hilfe war unübersehbar. "Wir rufen nach dem Militär, damit es Ägypten vor den Muslimbrüdern rettet", hatten Gegner des Präsidenten bei den jüngsten Protesten auf ein großflächiges Plakat geschrieben. Und ganz gleich, ob die Militärs es gelesen hatten oder nicht, ihre Reaktion folgte umgehend: Am Montag stellte die Armeeführung ein Ultimatum, in dem sie Muslimbrüdern und Opposition 48 Stunden Zeit gab, ihren Konflikt beizulegen. Sollte ihnen das nicht gelingen, werde das Militär einen eigenen Fahrplan vorgeben, um die Staatskrise zu beenden. Mursi wies die Fristsetzung zurück - nun hat das Militär das Ruder übernommen.

Die Armeeführung betraute am Mittwochabend den Präsidenten des Verfassungsgerichts, Adli Mansur, mit der Staatsführung, setzte die Verfassung außer Kraft und kündigte vorgezogene Präsidentschaftswahlen an.

Der künftige Fahrplan, hatte das Militär bei der Verkündung des Ultimatums erklärt, "wird alle wesentlichen gesellschaftlichen Strömungen einbeziehen, auch die Jugend, die diese großartige Revolution begann". Wie der Zeitplan aber konkret aussehen soll, blieb zunächst offen.

Kritik an der neuen Allianz

Tatsächlich können in Ägypten weite Teile der Gesellschaft der Vorstellung eines Eingreifens des Militärs etwas abgewinnen, erklärte die Politologin Maha Azzam vom britischen Forschungsinstitut Chatham House im Gespräch mit der DW. "Das heißt aber nicht, dass sie einen militärischen Umsturz wünschen. Stattdessen wollen sie Unterstützung für ihre zivilgesellschaftlichen Vorstellungen, in erster Linie den Rücktritt von Präsident Mursi", so Azzam.

Männer mit ägyptischer Fahne und Transparent mit arabischen Schriftzeichen (Foto: DW/Nael Eltoukhy)
"Wir fordern das Heer auf, Ägypten vor den Muslimbrüdern zu retten": Demonstration von Mursi-GegnernBild: DW/Nael Eltoukhy

Das ägyptische Militär hat eine lange säkulare Tradition. Unter General Gamal Abdel Nasser, der von 1952 bis 1970 zunächst als Minister- und dann als Staatspräsident die politische Ausrichtung Ägyptens bestimmte, konsolidierte sich in der Armee ein links-nationalistischer Kurs, den sie bis heute beibehalten hat. Das, sagt Maha Azzam, habe aber nicht verhindert, dass das Militär bislang jedes Regime unterstützt habe, im Gegenteil: "Es stützte eine Diktatur nach der anderen."

Nicht wenige Gegner Mursis, erläutert Annette Ranko vom Hamburger GIGA-Institut für Nahost-Studien, erinnerten sich in den vergangenen Tagen an die nicht immer eindeutige Rolle des Militärs in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Zwar habe es die Demonstranten auch bei ihren Protesten gegen den früheren Staatschef Husni Mubarak gewähren lassen. "Aber danach sah es sich auch einer sehr großen Opposition gegenüber. Denn viele fürchteten, das Militär würde die Macht nicht mehr abgeben und wolle den demokratischen Übergang behindern." Zahlreiche Ägypter haben auch das Wort von der "roten Linie" nicht vergessen, durch das sich das Militär jede öffentliche Kritik an seiner Rolle während der Revolution verbat. Deutlich in Erinnerung ist auch noch das Bild einer jungen Demonstrantin auf dem Tahrir-Platz, die von Soldaten halb ausgezogen und brutal geschlagen wurde. Die Armeeführung entschuldigte sich später für diese Tat.

Soldaten vor dem Präsidentenpalast in Kairo (Foto: Getty Images)
Das Militär hat vor dem Präsidentenpalast Stellung bezogenBild: Getty Images

Gefühl der Ohnmacht

Wenn die Gegner Mursis ihre Hoffnungen jetzt doch in das Militär setzen, so vor allem darum, weil sie sich dem Präsidenten gegenüber machtlos fühlten, erläutert Ranko im Gespräch mit der DW. Mursi habe bei einer seiner letzten Reden eingestanden, dass er nur mit den Köpfen der traditionellen Oppositionsparteien gesprochen und den Dialog mit der Jugend vernachlässigt habe. Für die jungen Menschen habe es keine ernsthafte politische Plattform gegeben, weder bei den Islamisten noch bei den linken und liberalen Parteien. "Und aus dieser Ohnmacht heraus haben sie sich dann für das Militär als Partner entschieden."

Was aber motiviert das Militär, die Gegner Mursis mehr oder weniger direkt zu unterstützen? Die Generäle könnten sich mit der politischen Ausrichtung der Muslimbrüder nicht anfreunden, glaubt Maha Azzam. Nun sehe das Militär eine Chance, die Verhältnisse zumindest ein wenig zu ändern. Zwar erwartet Azzam nicht, dass die Militärs in den kommenden Wochen bestimmte Figuren an die Staatsspitze bringen oder sie dort verhindern wollten. "Aber sie bemühen sich, die Situation zu kontrollieren." Das dürfte dem Militär aber schwer fallen, meint Annette Ranko. Denn eine Rückkehr zu den alten Mubarak-Zeiten, als das Militär ein Standbein des autoritären Regimes war, sei nicht mehr möglich. Die Forderung nach politischer Mitbestimmung durch die Bevölkerung könnten die Generäle nicht mehr ignorieren.

Muslimbrüder bewachen den Eingang zur Pro-Morsi Demonstration mit selbstgebauten Schilden (Foto: DW/Matthias Sailer)
Die Unentwegten: Anhänger Mursis sichern eine Demonstration für den PräsidentenBild: DW/M. Sailer