1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jüdisches Bayreuth

19. Juli 2011

Momentan sprechen wieder alle von Bayreuth, vom Grünen Hügel und den Wagner-Festspielen. Doch nur wenige kennen die jüdische Geschichte der Stadt. Das soll sich jetzt mit einem Faltblatt der Tourismuszentrale ändern.

https://p.dw.com/p/11zWj
Barocksynagoge in Bayreuth (Copyright: Stadtarchiv Bayreuth, Archiv Bernd Mayer)
Barocksynagoge in BayreuthBild: Stadtarchiv Bayreuth

Bis ins Mittelalter lässt sich die Geschichte der Bayreuther Juden zurückverfolgen; ab dem 16. Jahrhundert durften Juden allerdings nur vereinzelt in der Markgrafschaft leben. Es war Markgraf Friedrich, der 1759 zehn jüdischen Familien die Ansiedlung gestattete. Der freigeistige Potentat ließ sich in Geldangelegenheiten von Moses Seckel beraten, einem sogenannten "Hofjuden". Da Friedrich große Stücke auf seinen Financier hielt, ließ er ihn ein direkt neben der Oper gelegenes Redoutenhaus erwerben. Seckel durfte dahinter sogar eine Synagoge bauen.

Heute ist dort ein Café untergebracht, von dem aus man einen guten Blick auf die Barocksynagoge hat. Die ist ebenso wie das Wohnhaus des höfischen Financiers eine von mehreren Stationen, die jetzt auf einem Stadtplan der besonderen Art zu finden sind. Denn die Kommune stellt sich ihrer Vergangenheit und hat deshalb ein Faltblatt über das "Jüdische Bayreuth" herausgegeben. Entworfen hat es die Touristenzentrale zusammen mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

Die Stadt stellt sich ihrer Geschichte

"Das Geschäft für Damenkonfektion, Vorhänge, Teppiche und Stoffe von Simon Pfefferkorn" (Copyright: Stadtarchiv Bayreuth, Archiv Bernd Mayer.)
Das Kaufhaus Simon Pfefferkorn bot um die Jahrhundertwende Damenkonfektion, Vorhänge, Teppiche und Stoffe anBild: Stadtarchiv Bayreuth

Der Rundgang beginnt mit der barocken Bayreuther Synagoge, der ersten von rund 50 Stationen. Im Faltblatt werden zunächst wichtige Einrichtungen der aktuellen, etwa 500 Personen zählenden jüdischen Gemeinde vorgestellt. Auf dem staubigen Dachboden des Gotteshauses hat man erst jüngst einen historischen Schatz gehoben - einen sogenannten "Genisa"-Fund. Das sind Schriften oder Textilien, die einst eine religiöse Funktion hatten und deshalb nicht weggeworfen werden durften. Die Gegenstände hatten die Plünderungen der Nazis von 1938 nur heil überstanden, weil sie sich unter einem alten Bretterboden befunden hatten.

"Ein kleines Wunder", meint denn auch Felix Gothart, Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde Bayreuths. Er freut sich, dass das Faltblatt bei Touristen und Einheimischen so gefragt ist. In der Broschüre sieht er die Chance, über Geschichte und Gegenwart seiner Gemeinde zu informieren. "Wir versuchen einfach zu zeigen, dass es neben den beiden großen Kirchen auch noch das Judentum gibt", betont er.

Orte der Verfolgung und des Gedenkens

"Bayreuths Jüdischer Friedhof" (Copyright: Stadtarchiv Bayreuth, Archiv Bernd Mayer)
Jüdischer FriedhofBild: Stadtarchiv Bayreuth

Geburts- und Geschäftshäuser sowie ehemalige Adressen namhafter jüdischer Persönlichkeiten sind in dem papierenen Stadtführer penibel aufgelistet und werden kurz erläutert. Die Schriftstellerin Hilde Marx und der Senatspräsident des Oberlandesgerichtes München, Heinrich Harburger, werden ebenso erwähnt wie der Pianist Richard Wagners, Josef Rubinstein, dessen Grab auf dem jüdischen Friedhof liegt.

Und noch mehr Informationen kommen zutage. Zum Beispiel, dass im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert wohlhabende jüdische Bürger Bedürftige unterstützten oder wie der Kaufmann Max Harburger gar eine Wohltätigkeitsstiftung gründeten. Auch der Schwiegersohn Richard Wagners ist aufgelistet, ein gewisser Houston Stewart Chamberlain. "Mit seinen antisemitisch geprägten Werken, in denen er die Überlegenheit der arischen Rasse betonte, war er natürlich einer der Wegbereiter Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus", berichtet Stadtarchivarin Christine Bartholomäus.

Das mit historischen Fotos und einer aktuellen Karte versehene Faltblatt spart nämlich auch die Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung nicht aus, an die diverse "Gedenksteine" erinnern. Das "Braune Haus", Sitz der NSDAP-Gauleitung "Bayerische Ostmark" in der Maximilianstr. 2/4 und das Landgerichtsgefängnis kommen zur Sprache, aber auch die Viehstallungen des Schlachthofes. Dort wurden Juden im Dritten Reich zusammengetrieben, bevor sie dann in Vernichtungslager abtransportiert wurden. Heute befindet sich an dieser Stelle ein modernes Einkaufscenter.

Wagner nicht im Mittelpunkt

Richard Wagne
Antisemit Richard WagnerBild: ullstein bild - Granger Collection

Und der Maestro selbst? Richard Wagner, der im 19. Jahrhundert mit seiner polemischen Schrift "Das Judentum in der Musik" als bekennender Antisemit von sich reden machte, fehlt in dem Infoblatt überraschenderweise. Immerhin lieferten die antijüdischen Ressentiments des Komponisten den Braunhemden seinerzeit willkommenen Stoff für ihre Hasstiraden und Propaganda. Im Dritten Reich verkam der Grüne Hügel zur nationalsozialistischen Weihestätte, in der Richard Wagners Schwiegertochter Winifred ihrem Freund und Führer Adolf Hitler huldigte. Im Stadtplan über das jüdische Bayreuth wird in diesem Zusammenhang nur vage auf eine "Gedenktafel" im Festspielpark verwiesen.

"Wagner ist so ein großer Komplex, den wir nicht auf so einen Punkt reduzieren wollten", erklärt Archivarin Christine Bartholomäus. "Wir wollten jetzt halt nicht den Wagner so in den Mittelpunkt rücken, wie es sonst geschieht, sondern eben mehr – in Anführungszeichen – die normale jüdische Geschichte, das Leben der jüdischen Bürger innerhalb der Stadtgemeinde."

Immerhin: Sein Antisemitismus hinderte Richard Wagner nicht daran, Hermann Levi, einen Juden, die Uraufführung seines "Parsifal" dirigieren zu lassen. Nach dem Dirigenten ist heute eine Straße benannt: ebenso wie jetzt der Stadtplan ein Versuch, dem jüdischen Bayreuth gerecht zu werden.

Autor: Thomas Senne
Redaktion: Suzanne Cords