Mit Beethovens "Ode an die Freude" gegen Corona
23. März 2020Es ist still geworden auf dem sonst so belebten Pauliplatz in Köln: keine spielenden Kinder, kaum Autos, nur vereinzelte Fußgänger. Selbst die Vögel scheinen sich an die Quarantäne zu halten. Punkt 18 Uhr öffnen sich aber einige Fenster.
Ein ganzes Orchester ist es nicht geworden, aber ein Horn ist dabei, eine Querflöte, eine Klarinette. Von der anderen Seite des Platzes ist eine Violine und ein Kontrabass zu hören. Wer kein Instrument spielt, singt einfach mit: "Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium", die berühmte Melodie aus dem Finale der Neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven. "Niemand erwartet ein perfektes musikalisches Event! Dabei sein ist alles!", lautete das Motto der Aktion "Musiker*innen für Deutschland", die von den deutschen Musikverbänden initiiert worden war.
So wie in Köln ging es am Sonntagabend überall in Deutschland zu: ob in Stuttgart, wo Musiker des Stadtorchesters an vielen Orten in der Stadt spielten, in Freiburg, wo Mitglieder des Barockorchesters nach dem Kurzauftritt in einem Hinterhof von den Menschen aus den umliegenden Häusern gefeiert wurden, oder in Berlin, wo Sängerinnen und Sänger der Staatsoper ihre Balkone zur Bühne verwandelten. "Wenn weder Opernaufführungen noch Konzerte mit einem Livepublikum möglich sind, müssen wir zu anderen Mitteln greifen", sagte Stuttgarts Generalmusikdirektor Cornelius Meister. Bundesweit wurden zahlreiche Auftritte gefilmt und im Internet geteilt.
Mit Musik gegen Corona
Dass die Musik ein wirksames Mittel gegen Vereinsamung und Tristesse ist, weiß man nicht erst seit der Corona-Krise. Dennoch haben die Italiener mit ihrem landesweiten "Flashmob sonoro" eine neue Ära des gemeinsamen Musizierens eröffnet.
Nun zieht auch Deutschland nach: Die Aktion "Musiker*innen für Deutschland", initiiert von den deutschen Musikverbänden, wurde am vergangenen Sonntag von Tausenden Profis und Laien bundesweit unterstützt.
Zum musikalischen Flashmob war in den sozialen Netzwerken aufgerufen worden. Die Idee und die Noten verbreiteten sich in einer viralen Geschwindigkeit. An den Fenstern, vom Balkon, ja sogar in verlassenen Museen sangen und musizierten Menschen - und schufen ein Gemeinschaftsgefühl in Zeiten der zunehmenden Corona-Isolation.
Beethoven mit uns
Die Wahl des Werkes ist symbolisch: denn Beethovens und Schillers Aufruf zur Brüderlichkeit und Solidarität, heute die Hymne des vereinten Europas, ist relevanter denn je. "Es ist eine tolle Idee, es den Italienern gleichzutun und gemeinsam die 'Ode an die Freude' zu spielen", meint auch Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses Bonn und künstlerischer Geschäftsführer der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft. "Mit Kreativität bahnt sich die Kultur jetzt ganz neue Wege".
Auch im Beethoven-Haus Bonn wurde am Sonntag musiziert: Peter Materna, Intendant des Jazzfestes Bonn, spielte Saxofon und Mitarbeiter sangen von verschiedenen Zimmern und Büroräumen.
So bringt Beethoven erneut Menschen zusammen - auch wenn das berühmte "seid umschlungen, Millionen" momentan nicht physisch umzusetzen ist.