Neue kroatische Außenpolitik
21. Februar 2016DW: Die Flüchtlingskrise ist das europäische Thema Nummer Eins zur Zeit. Glauben Sie, dass die deutschen Anstrengungen, die Krise auf Ebene der EU zu lösen, noch eine Chance hat?
Miro Kovač: Was wir im Moment haben, ist keine europäische Lösung. Wir haben viele nationale Lösungen. Kroatien kooperiert sehr gut mit den Nachbarländern. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass, falls es unseren griechischen Freunden nicht gelingen sollte, die EU-Außengrenze zu sichern, wir den Vorschlag des slowenischen Premierministers Miro Cerar unterstützen werden, die Migrantenwelle an der mazedonisch-griechischen Grenze zu kontrollieren. Die Lösung, die wir jetzt haben, wird nicht mehr lange standhalten. Wir müssen die Zahl der Migranten drastisch nach unten senken. Ich wiederhole: Unsere Zusammenarbeit mit den Nachbarn funktioniert nur, so lange Deutschland, Schweden, Niederlande und Österreich die Flüchtlinge aufnehmen. Den Migranten und Flüchtlingen muss klar gesagt werden, dass nicht alle nach Europa kommen können. Gleichzeitig: Die EU muss auch in den Ländern, aus denen die Flüchtige kommen, aber auch in deren Nachbarländern, tätig werden.
Sie haben in Berlin das Stasi-Dokumentationszentrum, ein Symbol der Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte, besucht. Kroatien befindet sich in demselben Prozess schon seit Jahren, kommt aber kaum voran. Die historisch-ideologischen Gräben im Land sind tiefer denn je. Kann Kroatien in dieser Hinsicht von Deutschland lernen?
Wir sind in die Zukunft orientiert, aber wir müssen ein "normales" Verhältnis zu unserer Vergangenheit haben. Alle in unserer Gesellschaft sollen eine Chance bekommen, über ihre Gefühle der Geschichte gegenüber frei zu reden. Das gilt natürlich auch für den Zweiten Weltkrieg. Wir müssen endlich diese Diskussion hinter uns bringen. Kroatien muss seinen eigenen Weg finden, wenn es um die Vergangenheitsbewältigung geht. Wir können zwar schauen, wie andere Gesellschaften das gelöst haben oder eben nicht, aber wir müssen unseren eigenen Weg finden. Das wird besonders der jungen Generation gut tun, die wir von dieser "historischen Last" befreien müssen. Gleiches gilt für unsere Wirtschaft. Das hat sich auch in anderen post-kommunistischen Ländern gezeigt.
In welchem Zustand haben Sie das Außenministerium vorgefunden? Wo befindet sich die kroatische Außenpolitik momentan?
Wir haben im Ministerium viele fähige junge Menschen und ich bin mir sicher, dass wir unsere außenpolitischen Ziele erreichen werden. Weniger zufriedenstellend hingegen waren die außenpolitische Lage Kroatiens und besonders die innereuropäischen Beziehungen. Die neue Regierung muss das schnell ändern. Wir müssen uns zuerst viel intensiver um die innereuropäische Zusammenarbeit kümmern. Damit meine ich vor allem, dass wir die Rolle Kroatiens innerhalb der EU stärken müssen und gleichzeitig die mitteleuropäische aber auch die südosteuropäische Zusammenarbeit. Zweitens, es ist nötig, die Zusammenarbeit mit den Nachbarn zu aktivieren. In manchen Fällen müssen wir die Beziehungen nur verbessern, in anderen aber von Grund auf reparieren. Und drittens: Die kroatische Außenpolitik muss im Dienste der kroatischen Wirtschaft stehen und helfen, Kroatien in eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu verwandeln. Wir werden kroatische Unternehmen bei ihren Aktivitäten im Ausland stark unterstützen.
In außenpolitischen Richtlinien ihres Ministeriums wird Deutschland nicht ausdrücklich erwähnt. Spielt dieses Land trotzdem eine wichtige Rolle für Kroatien?
Deutschland ist unser strategischer Partner, es ist ein zentrales Land der Europäischen Union. Alle Länder Mittel- und Südosteuropas sind darauf ausgerichtet. Wir werden mit unserem Partner die Zusammenarbeit fortsetzen und auch weiter stärken.
Was ist geblieben von der in der Vergangenheit oft hervorgehobenen Rolle Kroatiens als einer Brücke zwischen den Ländern des Westbalkans und der EU?
Kroatien fehlte es in den letzten Jahren an Ambition. Das Land muss sich neu definieren und verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Wir müssen endlich begreifen, welche Position wir innerhalb der EU vertreten, was unsere Möglichkeiten sind und was wir tun können. Kroatien hat in Bezug auf die angrenzenden Länder, die noch keine EU-Mitglieder sind, große Verantwortung, aber auch große Chancen. Wir werden aktiv die EU-Kandidatur von Bosnien und Herzegowina unterstützen. Wir sind uns dessen bewusst, dass der Integrationsprozess sehr langwierig und mühsam sein wird, aber es ist wichtig einen Anfang zu machen. Es ist auch wichtig für die Kroaten in Bosnien und Herzegowina. Sie können sich neu definieren als Motor der europäischen Integration. Und das kann, im Zusammenarbeit mit Kroatien, für ganz Bosnien und Herzegowina nützlich sein. Was die anderen Länder in der Region angeht, und dabei denke ich an Serbien, Mazedonien, Montenegro, Albanien und Kosovo, so werden wir auch deren Bestrebungen für eine EU-Mitgliedschaft unterstützen. Selbstverständlich werden wir dabei darauf achten, dass die Kriterien erfüllt werden. Wir werden streng, aber fair sein.
Miro Kovač (48) war von 2008 bis 2013 Botschafter Kroatiens in Deutschland, danach war er engagiert als außenpolitischer Sprecher der konservativen Partei HDZ . Seit Januar 2016 ist er Außenminister in der neuen kroatischen Regierung von Tihomir Orešković.
Das Gespräch führte Nenad Kreizer.