Migrationspolitik: Niederländische Regierung zerbricht
7. Juli 2023Die Zahl der Asylanträge ist in den Niederlanden stark gestiegen. Wie man darauf reagieren sollte, darum gab es Streit in der Regierung - und keine Lösung: Die vier Parteien hätten bei einer Krisensitzung keine Einigung beim Thema Migration erzielen können, sagte am späten Freitagabend ein Sprecher der Christen-Union (CU), einer der kleineren Parteien in der Koalition von Ministerpräsident Mark Rutte. "Deshalb haben sie beschlossen, diese Regierung zu beenden."
Knackpunkt war eine Beschränkung des Familiennachzugs von Flüchtlingen, die sich bereits in den Niederlanden aufhalten und die Ruttes rechtsliberale Partei VVD gefordert hatte. Diese Forderungen gingen den anderen Parteien zu weit.
Rechtspopulistische Wahlerfolge
Mark Rutte (56) bot daraufhin umgehend König Willem-Alexander seinen Rücktritt an. Knapp 13 Jahre war er Ministerpräsident der Niederlande und damit einer der am längsten amtierenden Regierungschefs der EU. Seit Januar 2022 führte er sein viertes Kabinett nach Koalitionsverhandlungen, die gut neun Monate gedauert hatten und damit die längsten in der Geschichte des Landes waren. Insgesamt vier Parteien waren nötig, um eine Mehrheit in der Zweiten Kammer des Parlaments zu erreichen, das waren Ruttes rechtsliberale VVD, die linksliberale D66, die christdemokratische CDA und die kleine Christen-Union.
Nach zahlreichen Krisen waren die Umfragewerte der Koalition stark gesunken. Bei der jüngsten Provinzialwahl im März, bei der auch die Erste Kammer des Parlaments - vergleichbar dem Bundesrat in Deutschland - gewählt wurde, hatten alle Regierungsparteien deutliche Verluste verbucht. Großer Wahlsieger wurde die rechtspopulistische Bauerbürgerbewegung BBB, die auf Anhieb stärkste Kraft wurde. In der Zweiten Kammer ist die BBB nur mit einer Abgeordneten vertreten. Bei einer Neuwahl wird der Partei großer Erfolg vorhergesagt.
Anstieg der Asylanträge um ein Drittel
Die Asylanträge in den Niederlanden stiegen im vergangenen Jahr um ein Drittel auf über 46.000 und dürften in diesem Jahr auf mehr als 70.000 ansteigen - ein neuer Höchststand seit 2015. Dies dürfte eine deutliche Belastung für die Asyleinrichtungen des Landes darstellen.
Im vergangenen Jahr waren Hunderte von Flüchtlinge monatelang gezwungen, im Freien zu schlafen, mit wenig oder gar keinem Zugang zu Trinkwasser, sanitären Einrichtungen oder Gesundheitsversorgung. Rutte hatte angekündigt, die Bedingungen in den Einrichtungen insbesondere durch die Reduzierung der Flüchtlingszahlen zu verbessern.
AR/wa (dpa, rtr)