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"Sport und Politik nicht trennbar"

Thomas Klein5. Januar 2016

Die Bayern, der BVB und Frankfurt trainieren in der Winterpause in Katar oder Dubai. Im DW-Interview verurteilt Wenzel Michalski von Human Rights Watch diese Trainingslager, sieht aber auch positive Aspekte.

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Wenzel Michalski Deutschland-Direktor von Human Rights Watch
Bild: DW/H. Kiesel

DW: Bayern München, Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt fliegen ins Wintertrainingslager nach Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Wie ist die Menschenrechtssituation dort vor Ort?

Wenzel Michalski: Die Menschenrechtssituation in Katar ist vor allem für die Arbeiter sehr prekär. Es gibt unter Anderem nach wie vor das Kafala-System, welches bedeutet, dass die Arbeiter vor Ort den Arbeitsgebern ausgeliefert sind, denn sie dürfen vor Vertragsende das Land nicht verlassen. Die Pässe werden den Arbeitern abgenommen und so sind sie dem jeweiligen Arbeitgebern komplett ausgeliefert. Was die Fussball-Klubs im Kopf haben sollten ist, dass die Stadien oder die Trainingsgelände, in denen die Mannschaften spielen oder trainieren, von genau den Arbeitern gebaut wurden, die unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten mussten.

In Dubai hat sich schon einiges verbessert, was die Arbeiter dort betrifft. Allerdings ist der Weg zu menschenwürdigen Bedingungen noch sehr weit. Trotz der Fortschritte sind in Dubai nach wie vor erhebliche Menschenrechtsverletzungen zu beklagen. Da geht es um freie Meinungsäußerung oder um Kritik an der Regierung - da verschwinden Blogger und Journalisten und werden misshandelt.

Trotz öffentlicher Kritik fahren die Bundesligisten in die genannten Länder. Wie bewerten Sie das?

Das zeigt, wie abgehoben diese Vereine sind. Es geht um Geschäftemacherei oder auch schöne, luxuriöse Bedingungen, die die Vereine dort für relativ wenig Geld bekommen.

Katar Doha Arbeiter Baustelle
Werden oft ausgebeutet: Arbeiter in DohaBild: picture alliance/augenklick

Das ist auch im besten Fall Gedankenlosigkeit, denn man kann auch in anderen warmen Gegenden trainieren, ohne genau solch ein Ausbeutersystem zu unterstützen. Und ich meine Ausbeutersystem im menschenrechtlichen Sinn. Die Menschen dort werden ausgesaugt und zum Teil wie menschlicher Abfall abgestellt, wenn man sie nicht mehr braucht und die nicht mehr nach Hause dürfen, wenn sie nach Hause wollen.

Ist die FIFA-WM, die 2022 in Katar stattfinden soll, ein Deckmantel für die Klubs, die dort hinfahren? Nach dem Motto: solange die WM dort stattfindet, brauchen wir kein schlechtes Gewissen zu haben.

Ja, klar. Das ist auch eine Art Logik: Solange dort eine Weltmeisterschaft stattfindet, darf es jawohl noch erlaubt sein dort zum Trainieren hinzufahren. Die Logik hat allerdings nichts mit einer ordentlichen Menschenrechtsauffassung zu tun.

Der BVB sagt, man habe lukrative Testspiele abgelehnt, weil in den jeweiligen Ländern die Menschenrechtssituation nicht mit den Maßstäben von Borussia Dortmund in Einklang zu bringen sei. Da wirkt der Antritt der Reise nach Dubai wie ein Eigentor, oder?

Ja, genau so ist es. In der Theorie hört sich so etwas auch toll an. Da kann man nur sagen: Recht habt ihr, aber in der Praxis sieht das anders aus. Das ist so wie "Wasser predigen, Wein trinken."

Karl-Heinz Rummenigge sagt ein Trainingslager sei keine politische Äußerung. Können Sport und Politik denn überhaupt getrennt werden?

Nein, das kann man eben nicht. Es wird oft den Kritikern vorgeworfen Sport und Politik nicht zu trennen, und zwar genau von den Leuten, die Sport und Politik vermengen. Wenn ich es zu einem Staatsanliegen mache, wie zum Beispiel Katar, mein Land in ein sportfreundliches Land umzubauen, dann ist das eine politische Aussage und dann wird eine solche Reise natürlich vermengt. Genauso, wenn Sportgrößen sich immer wieder mit Regierungsführern von Ländern, die Menschenrechte missachten, zeigen, dann ist das eine politische Aussage!

Gerade die, die sagen Sport und Politik sollte man nicht vermengen, sind die die solche Situationen überhaupt geschaffen haben. Und wenn eine Situation so prekär ist, wie zum Beispiel in Katar, dann darf man seine Augen davor nicht verschließen.

Katar Prinzessin Sheikha Hanadi Bint Nasser Bin Khaled Al Thani FC Bayern München
Bitte recht freundlich: bereits 2013 reist Bayern München nach Doha, Trainer damals war Jupp Heynckes (l.)Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Welchen Effekt können solche Trainingslager haben?

Ich könnte mir gut vorstellen, dass wenn der Druck von sportlicher Seite wächst, dass das dann nicht ungehört bleibt. Es gibt in Katar durchaus Reformkräfte, die genau wissen, was dort schiefläuft. Die können sich nur nicht gegen die erzkonservative Mehrheit durchsetzen. Je mehr Unterstützung sie bekommen und je mehr diese Themen, auch von den Vereinen, angesprochen werden, desto größer ist die Chance auch etwas verändern zu können. Dies könnte durchaus eine gute Möglichkeit sein in Katar einem pluralistischerem oder - etwas vorsichtig gesagt - demokratischerem System auf die Sprünge zu helfen.

Manche BVB-Fans fordern den Verzicht auf solche Trainingslager. Was fordern Sie von den Vereinen?

Ich würde sagen, dass wenn ihr dorthin fahrt, dann müsst ihr die Themen ansprechen und zusehen, dass sich etwas verändert. Wenn die Klubs dorthin wollen, dann müssen sie sich auch der politischen Auseinandersetzung stellen Damit spreche ich aber nicht die Spieler an, von denen wäre das zu viel verlangt. Aber die Personen, die auf der Management-Ebene sind, die Entscheidungsträger, die müssen sich stellen und vorher über die Menschenrechtssituation in den jeweiligen Ländern informieren.

Wenzel Michalski arbeitet seit 2010 für Human Rights Watch und leitet die deutsche Vertretung in Berlin. Vor seinem Engagement war der Menschenrechtler Jahre lang als Journalist tätig. Michalski arbeitet daran Deutschland eine stärkere Stimme in der Menschenrechtsdiskussion zu geben.

Das Interview führte Thomas Klein