Ballack, armer Kerl
4. September 2008Michael Ballack hat – so wird jedenfalls kolportiert – Oliver Bierhoff mit der straßentauglichen Übersetzung des Wortes Urinierer bedacht. Hat er gelogen? Kaum, denn auch Bierhoff entleert seine Blase doch wohl hoffentlich auf die übliche Weise, stehend am Baum, oder politisch korrekt, sitzend auf der Toilette. Warum also die Aufregung?
Ein Blick nach Belgien hätte genügt und Bierhoff wäre Ballack nicht an die Gurgel gegangen, sondern um den Hals gefallen, als Dank für das große Lob. Denn wer ist der berühmteste Einwohner der belgischen Hauptstadt Brüssel? Männeken Pis, ein Urinierer, der inzwischen sogar eine eigene Homepage hat. Spielt die belgische Fußball-Nationalmannschaft, wird dem Bronze-Pinkler das Nationaltrikot übergestülpt. Das sollte Bierhoff wissen.
Außerdem: Keinem Urologen würde es jemals in den Sinn kommen, den Ballackschen Ausruf als Beleidigung zu empfinden. Es spricht doch für einen gesunden Menschen, selbst für einen gesunden Fußballer, wenn es gut läuft. Bierhoff sollte sich mal bei Oliver Kahn erkundigen, der einmal für ein Championsleague-Spiel gesperrt wurde, weil er aus Frust darüber, dass er unter Zeitdruck kaum urinieren konnte, einen halbvollen Becher nach einem Dopingkontrolleur warf.
Urin ist wertvoll. Jahrtausende lang wurde er als Reinigungsmittel eingesetzt, zum Färben, als Dünger, als Medizin. Im 18. Jahrhundert befahl ein Adliger, vielleicht sogar ein Urahn Bierhoffs, seinen Dienern, rund um sein Anwesen Wasser zu lassen. Er hatte festgestellt, dass auch die Wege am Königsschloss von Versailles nach Urin rochen.
Was lernen wir aus alledem? Ballack wollte Bierhoff eigentlich loben. Stattdessen bekam er Ärger. Armer Kerl, eigentlich.