Mexiko: Frauen erobern das Parlament
5. August 2018Frauen auf dem Vormarsch: Wenn das am 1. Juli neu gewählte Parlament im September in Mexiko-Stadt zusammentritt, können die Parlamentarier einen historischen Fortschritt verzeichnen. Noch nie saßen so viele Frauen in den beiden Kammern des Parlaments. Kongress und Abgeordnetenhaus (vergleichbar mit einem Ober- und Unterhaus) werden fast zu Hälfte mit Frauen besetzt sein: jeweils 49 und 49,2 Prozent.
Außerdem wird erstmals eine Frau ihr Amt als Bürgermeisterin von Mexiko-City antreten. Claudia Sheinbaum von der MORENA-Partei war zuvor die Umweltbeauftragte des ehemaligen Bürgermeisters, der jetzt zum neuen Präsidenten Mexikos gewählt wurde: Andrés Manuel López Obrador, der im Volksmund AMLO genannt wird. Bei der Wahl für das Bürgermeisteramt waren sieben Kandidaten angetreten - fünf davon waren Frauen. "Das ist ein Fortschritt in Bezug auf die Chancen einer Frau, irgendwann eine Regierung anzuführen", sagt Belén Sanz, Vertreterin der UN-Organisation für Geschlechtergerechtigkeit "UN Women" in Mexiko im Gespräch mit der Deutschen Welle.
In einem Land, das weiterhin vom Machismo, vom Männlichkeitswahn, geprägt ist, das eine hohe Rate geschlechtsspezifischer Gewalt aufweist, und in dem laut einer Statistik der UN im Jahr 2016 über 2700 Frauen ermordet wurden, gibt es dennoch für diese Entwicklung mehrere Erklärungen. Die Zunahme der Teilhabe von Frauen in öffentlichen Funktionen konnte man schon seit längerem beobachten. "Frauen gewinnen mehr Raum in Positionen mit gesellschaftlichem Einfluss. In den vergangenen Jahren hat sich der Prozess nur beschleunigt. Es ist ein globaler Trend, den wir vielleicht nicht länger als ein 'Phänomen' bezeichnen, sondern eher als normale Konstante betrachten sollten", sagt Kristin Wesemann, Vertreterin des Regionalprogramms Demokratie und politische Parteien in Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung gegenüber der DW.
Effekte der Gleichstellungsgesetze
Schon in den 1990er Jahren haben verschiedene Bundesstaaten in Mexiko damit begonnen, Quotenregelungen für weibliche Kandidaten einzuführen. Das mexikanische Wahlrecht sieht seit dem Ende der 1990er Jahre vor, dass mindestens 30 Prozent aller Abgeordneten und Senatoren Frauen sein müssen. "Diese Frauenquote wurde im Jahre 2008 auf 40 Prozent erhöht und 2014 letztendlich mit einem Paritätsprinzip in der Verfassung verankert", erklärt Belén Sanz.
Auch in anderen Ländern Lateinamerikas ist der Anteil der Frauen in der Legislative bemerkenswert hoch. Nach Angaben der Interparlamentarischen Union (IPU) finden sich im Juni 2018 sechs der zehn Länder mit dem weltweit höchsten Anteil an Parlamentarierinnen in Lateinamerika: Kuba, Bolivien, Grenada, Nicaragua, Costa Rica und - auf Platz neun - Mexiko.
Frauen, Politik und soziale Auswirkungen
Eine stärkere Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben fördert den Wandel von Stereotypen und geschlechtsspezifischen Rollen. "Die Menschen gewöhnen sich nicht nur daran, dass Frauen genau wie Männer eine Karriere haben und sich den damit verbundenen Herausforderungen stellen, sondern auch, dass damit neue Vorbilder und Berufswege für Frauen vorgezeichnet werden", so Belén Sanz.
Selbst die höchsten Ämter in Lateinamerika waren schon von Frauen besetzt - im Jahr 2014 waren es sogar vier zur gleichen Zeit: Michelle Bachelet in Chile, Cristina Fernández in Argentinien, Dilma Rousseff in Brasilien und Laura Chinchilla in Costa Rica. Auch wenn keine der vier mehr an der Macht ist, ist die starke Präsenz von Frauen in den Parlamenten ein positives Zeichen. "In Lateinamerika, wie in anderen Teilen der Welt auch, werden immer mehr Frauen in der Politik aktiv. Der Weg ist zwar noch lang, aber die Fortschritte sind offensichtlich. Parität und Gleichheit sind unser Ziel", sagt Kristin Wesemann.
Gerade in Mexiko ist Gewalt gegen Frauen noch immer an der Tagesordnung. Das Land hat eine der höchsten Frauenmordraten in Lateinamerika, übertroffen nur noch von Honduras und El Salvador. "Einige der Frauen, die jetzt in Mexiko in Führungspositionen aufsteigen, haben sich dieser Problematik verschrieben. Aber es ist ein Thema, das sowohl von Männern als auch Frauen aufgegriffen werden muss", sagt die UN-Expertin. "Die Beteiligung der Männer ist unabdingbar, um einen normativen Fortschritt zu erzielen", fügt Belén Sanz hinzu.