Methan - das unterschätzte Treibhausgas
27. November 2015Kühe tun es. Auch Schafe und Ziegen. Sie alle rülpsen, und zwar oft. Ruktus nennen Wissenschaftler den Reflex der wiederkäuenden Tiere, bei dem Methan freigesetzt wird. Das brennbare, farb- und geruchlose Gas entsteht bei der Verdauung von Gras unter Beteiligung von Bakterien. Eine Milchkuh emittiert zirka 112 Kilogramm Methan (CH4) pro Jahr. Für die gleiche Produktion klimaschädlicher Treibhausgase kann ein PKW nach EU-Standards 18.000 Kilometer zurücklegen. Zählt man die Exkremente der Kuh hinzu, enstehen durch Methan, Ammoniak in der Gülle und Lachgas, das durch Stickstoffdüngung der Felder freigesetzt wird, weitere Emissionen im Umfang von umgerechnet 6.000 Kilometer PKW-Fahrleistung.
Auch in Sümpfen, Wäldern, im Permafrostboden, auf Mülldeponien und Reisfeldern entsteht Methan. "Sogar Pilze und Algen emittieren Methan", sagt Professor Frank Keppler von der Uni Heidelberg. CH4 entsteht immer dann, wenn organisches Material wie Wurzeln und andere Pflanzenteile, aber auch Essensreste und Exkremente unter Luftabschluss verrotten. "Seit 2007 steigt die Konzentration wieder leicht an in der Atmosphäre, aber es herrscht große Unsicherheit darüber, wie und warum Pflanzen das Treibhausgas produzieren", so Keppler. Er hat herausgefunden, dass Pflanzen sogar unter Sauerstoffzufuhr Methan freisetzen - je höher die Temperaturen, desto größer die CH4-Emissionen. Forscher rätseln noch, was diese Erkenntnis für den Klimawandel bedeutet.
Erdgas, das ähnlich wie Erdöl vor Millionen Jahren aus Mikroorganismen, Algen und Plankton - ohne Sauerstoffzufuhr - unter der Erde gebildet wurde, besteht, je nach Lagerstätte, bis zu 99 Prozent aus Methan. Bei der Förderung, durch undichte Leitungen beim Transport und durch Verarbeitung und Verbrennung des fossilen Energieträgers kann Methan freigesetzt werden, dass in die Atmosphäre gelangt. Doch die Mengen sind gering im Vergleich zur Methanproduktion der Kuh. Die Rindviecher stoßen zweimal pro Minute auf und geben bis zu 600 Liter Methangas pro Tag in die Atmosphäre ab.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) wurden 2013 rund 54 Prozent der Methan-Emissionen in Deutschland durch die Landwirtschaft produziert. 1,5 Milliarden Rinder auf der Erde sind für rund 37 Prozent der gesamten Methanemmissionen verantwortlich. Der Anteil wird noch zunehmen, denn die Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten steigt mit wachsendem Wohlstand in Schwellen- und Entwicklungsländern.
"Die atmosphärischen Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas sind auf Werte angestiegen, wie sie in den letzten mindestens 800.000 Jahren noch nie vorgekommen sind", sagt Dr. Claudia Mäder, beim UBA zuständig für Internationalen Klimaschutz. Im Jahr 2011 betrug die Konzentration 1803 ppb (parts per billion) Methanmoleküle in einer Milliarde Luftmolekülen. Das ist mehr als das 150-fache seit Beginn der Industriellen Revolution. Während CO2 zu 60 Prozent am Klimawandel beteiligt ist, trägt das zweitwichtigste Treibhausgas Methan zu 20 Prozent zur Erderwärmung bei.
Ernährungsumstellung der Kuh
Agrarwissenschaftler tüfteln derweil an Lösungen, die die Methanproduktion reduzieren könnten. Für Aufsehen sorgte Prof. Winfried Drochner 2007. Der inzwischen emeritierte Experte für Tierernährung von der Uni Stuttgart-Hohenheim regte eine Futterumstellung an: Gekeimtes Getreide reduziere die Methanproduktion und sei zudem leichter verdaulich für die Tiere, sagte er. Drochner forschte sogar an einer Pille mit pflanzlichen Gerbstoffen. Die sollten das Methan im Pansen abbauen. Drochner erntete Hohn und Spott.
Der Wissenschaftler drückt es gegenüber der DW aktuell so aus: "Leider stieß ich damals auf erheblichen Widerstand, da man Schlagzeilen, wie etwa "Klimakiller Kuh" als kontraproduktiv ansah. Nach wie vor gilt aber, dass der Beitrag der Wiederkäuer aus der Nutztierhaltung für die Methanbilanz und damit das Klima bedeutsam ist." Auch ein größerer Fettanteil im Futter oder die Fütterung über den Tag zu verteilen, reduzieren den Gasausstoß der Kühe, sagt Drochner und verweist auf Kollegen in Wales und Neuseeland, die herausgefunden haben, dass Pflanzenöle und Knoblauchextrakte die methanbildenden Bakterien im Pansen der Kühe hemmen.
Klimakiller im Reisfeld
Auch Agatha Akpeokhai sucht nach Mitteln und Wegen, den Methanausstoß zu senken. Allerdings geht es der Studentin, ausgestattet mit einem Klimaschutzstipendium am Geographischen Institut der Uni Bonn, um Methan bei der Reisproduktion in Nigeria. Ihr Heimatland ist der größte Reisproduzent Westafrikas. "Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Anbaumethoden für Reis und dem Ausstoß von Klimagasen sind noch nicht ausreichend untersucht", sagt Akpeokhai. Da Methan bei Fäulnisprozessen in stehenden Gewässern entsteht, gibt es Überlegungen, die Felder ab und zu trocken zu legen, berichtet die Agrarwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Klimaschutz, "aber das kostet Geld und Zeit. Denn die Bauern müssen das Problem überhaupt erst verstehen."
Erderwärmung durch Klimagase wie Methan
Methan-Moleküle sind schwerer und wirken bis zu 25-mal stärker als CO2-Verbindungen auf den Strahlungshaushalt der Erde. Denn diese Gase verhindern, dass die Sonnenenergie, die zur Erde gelangt, zurück in den Weltraum reflektiert wird. Die Erdwärme trifft stattdessen auf die Methan- und CO2-Teilchen und erwärmt so zunehmend die Erdatmosphäre. Allerdings zerfällt Methan bereits nach bis zu 15 Jahren. Für kurzfristige Erfolge im Klimaschutz könnten demzufolge Methan-Reduzierungen beitragen.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat angekündigt, die Emissionen von Lachgas und Methan bis 2020 um 25 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent (im Vergleich zu 1990) zu senken. Die Rinderbestände wurden bereits verkleinert, da der Bedarf an Fleisch in Deutschland rückläufig ist. Schlussendlich wird der Verbraucher in die Pflicht genommen werden müssen - und zum Beispiel durch weniger Fleischkonsum mehr fürs Weltklima tun.