Die Amerikaner kommen!
7. November 2015Die Annäherung zwischen den USA und Kuba war das große Thema der 33. Ausgabe der Internationalen Havanna-Messe (FIHAV 2015). Auf mehr als 20.000 Quadratmetern präsentierten sich dort bis Sonntag (08.11.2015) rund 900 Unternehmen aus 70 Ländern. Es war die erste Messe, seit die USA und Kuba im Dezember vergangenen Jahres einen Neubeginn ihrer Beziehungen verkündet hatten.
Als "historisches Jahr", das entscheidende Schritte gesehen habe, würdigte Myron A. Brilliant, Vize-Präsident der US-Handelskammer die vergangenen Monate. Insgesamt 43 US-Unternehmen, vor allem aus den Bereichen Tourismus, Telekommunikation und Landwirtschaft - auf diesen Gebieten bestehen schon länger Verbindungen - bildeten die bislang größte US-amerikanische Delegation. Dies sei Ausdruck der Veränderungen in den gegenseitigen Beziehungen, so Brilliant.
Mobilfunker machen den Anfang
Dass eine neue Dynamik zwischen den früheren Erzfeinden herrscht, zeigt auch die Vereinbarung über direktes Roaming zwischen beiden Ländern. Kubas staatliches Telekommunikationsunternehmen Etecsa und der US-amerikanische Mobilfunkanbieter Sprint unterschrieben zu Beginn der Messe ein entsprechendes Abkommen. Sprint-Kunden können damit künftig in Kuba mit ihrer US-amerikanischen Nummer telefonieren, SMS verschicken und empfangen sowie im Etecsa-Netz Daten übertragen.
Es ist das erste Abkommen dieser Art zwischen Kuba und den USA und hat vor allem symbolischen Wert. Ende September hatten beide Seiten bereits die erste direkte Telefonverbindung eingerichtet.
Sprint-Chef Marcelo Claure zeigte sich stolz über die Einigung und bezeichnete sie als bedeutenden Schritt. "Konnektivität ist ein wichtiges Werkzeug für Fortschritt", so Claure. Er lobte die kubanische Seite für schnelle und effektive Verhandlungen - "entgegen allen Vorurteilen gegenüber kubanischen Staatsunternehmen", wie er mit einem Augenzwinkern sagte. Claure äußerte sich hoffnungsfroh, dass beide Regierungen weitere Fortschritte bei der Annäherung erzielen.
Ende von Blockade und Embargo
"Wir sind hier, um voneinander lernen und Vertrauen aufzubauen", so Brilliant. Zwar bleibe noch viel zu tun, das betreffe das kubanische Doppelwährungssystem, aber auch die Beschränkungen für Zahlungen in US-Dollar aufgrund der Blockade. Auch seien weitere Reformen in Kuba vonnöten, um das Geschäftsklima zu verbessern.
"Es wird Zeit dauern. Die ersten Schritte aber sind gemacht und die US-Handelskammer ist dem Annäherungsprozess verpflichtet", sagte Brilliant. "Und das Embargo muss aufgehoben werden." Denn der hinter diesem in den USA verwendeten Terminus - in Kuba spricht man von Blockade - steckende Politik ist mehr und mehr zu einer Auto-Blockade geworden: US-Unternehmen ist der attraktiver werdende kubanische Markt weiterhin verschlossen.
Kuba vollzieht seit einigen Jahren einen vorsichtigen Prozess wirtschaftlicher Öffnung: Mehr privatwirtschaftliche Initiative wurde zugelassen, eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet, zudem ein Gesetz zu Auslandsinvestitionen verabschiedet, das ausländischen Unternehmen ermöglicht, in alle Sektoren der kubanischen Wirtschaft zu investieren.
Am Dienstag hatte die kubanische Regierung die aktualisierte Version des im Vorjahr erstmals aufgelegten Investitionskatalogs vorgestellt. Die nunmehr 326 möglichen Investitionsprojekte - das sind 80 mehr als im Vorjahr - mit einem Volumen von insgesamt 8,2 Milliarden US-Dollar reichen von der Rumherstellung über Pay-TV bis hin zur Errichtung von Windparks und sind über die ganze Insel verteilt. Vierzig der bereits vor jahresfrist vorgestellten Projekte befinden sich laut Kubas Minister für Außenhandel und ausländische Investitionen, Rodrigo Malmierca Díaz, im fortgeschrittenen Verhandlungsstadium.
Die Deutschen warten ab
Während die USA noch Geschäftsmöglichkeiten ausloten, weiten Kubas klassische Handelspartner wie Venezuela, China, Spanien, Kanada oder Vietnam ihre geschäftlichen Aktivitäten auf der Insel aus. Die spanische und die kubanische Regierung unterschrieben am Montag in Havanna ein Abkommen über eine kurzfristige Restrukturierung der kubanischen Schulden sowie eine wirtschaftliche Kooperationsvereinbarung.
Deutschland dagegen agiert gegenüber Kuba traditionell eher zurückhaltend. Doch auch von deutscher Seite nimmt das Interesse zu. Die Rekordbeteiligung an der Messe aus dem vergangenen Jahr wurde noch einmal gesteigert: 46 deutsche Aussteller waren in diesem Jahr vertreten, vor allem mittelständische Technologie- und Maschinenbau-Unternehmen, aber auch Schwergewichte wie MAN, Daimler oder Bayer. "Wir mussten die einzelnen Stände verkleinern, damit alle im Pavillon Platz fanden", erzählt Projektmanager Christian Steidl von Dega Expoteam, das den deutschen Auftritt organisierte.
Viele Firmen waren erstmals vertreten; Claus Gänshirt, Geschäftsführer des Farben- und Lackspezialisten Gänshirt aus Friesenheim in Süddeutschland, dagegen war bereits zum sechsten Mal auf der Messe vertreten. Anfangs sei es schwierig gewesen, sagt er. Es habe eine Zeit gedauert, bis Kontakte und Vertrauen aufgebaut worden seien. Die Kuba-Politik der Bundesregierung habe auch nicht gerade geholfen: "Die Deutschen sind sehr brav und amerikahörig - viele deutsche Firmen halten sich deshalb zurück."
Hinzu kämen Einschränkungen durch die US-Blockade, die auch Drittstaaten betreffen. Waren für Kuba müssten zum Beispiel immer erst nach Panama oder in die Dominikanische Republik verschifft und dort umgeladen werden, da die Schiffe ansonsten ein halbes Jahr lang keinen US-Hafen anlaufen dürften.
Sofort durchstarten? So einfach ist es nicht.
Was die Annäherung zwischen den USA und Kuba betrifft, erwartet Gänshirt einen eher langwierigen Prozess. "Man kann nicht so einfach vergessen, was hier 50 Jahre passiert ist." Es koste eine gewisse Zeit und vor allem viel Geduld, um auf Kuba Geschäfte zu machen.
Eine Erfahrung, die auch Mark Elias gemacht hat. Elias ist Chef der Charter-Fluggesellschaft Havana Air, die mehr als 70 Mal in der Woche zwischen Miami und Kuba hin- und herfliegt. Er werde ständig eingeladen, auf Konferenzen vor interessierten US-Unternehmern über seine Geschäftserfahrungen in Kuba zu sprechen. "Ich lehne immer ab", sagt er. "Denn es hat mich sieben Jahre gekostet, Fuß zu fassen." Wie Gänshirt spricht er von einem langwierigen Prozess, Vertrauen und Kontakte aufzubauen. "Hier ankommen und sofort Geschäfte machen, wie viele US-Unternehmer sich das vorstellen - das wird in Kuba nicht klappen."
Aktualisierte Version eines Artikels vom 06.11.2015