Merkel will mehr Azubis aus Zuwanderer-Familien
1. Dezember 2014Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Arbeitgeber in Deutschland ermahnt, offener für Migranten und ihre Kinder zu werden. Sie kritisierte beim siebten Integrationsgipfel in Berlin, dass es für Jobsuchende mit ausländisch klingenden Namen immer noch schwerer sei, eingestellt zu werden. "Wir müssen da noch besser werden", betonte die CDU-Politikerin. Sie stellte aber auch klar, dass sich "beide Seiten bewegen" müssten, "damit wir Erfolge erreichen". Die Zuwanderer und ihre Familien seien eine Chance für Deutschland und deren zuletzt stark steigende Zahlen zeigten, dass das Land im Ausland als attraktiv eingeschätzt wird. Allein im Jahr 2013 sind 1,2 Millionen Menschen zugewandert - der höchste jährliche Zuwachs in den letzten zwei Jahrzehnten.
Beim Integrationsgipfel treffen sich Vertreter von Bund, Ländern, Wirtschaft, Gewerkschaften und Organisationen der Zuwanderer. Das zentrale Thema diesmal waren die Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten von jungen Leuten mit Migrationshintergrund. Die Bundesregierung möchte sich dafür einsetzen, dass Jugendliche intensiver über Ausbildungsoptionen informiert würden, sagte Merkel. Vor der Veranstaltung im Kanzleramt hatte sie sich zusammen mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), bei einem Besuch der Berliner Verkehrsbetriebe ein Bild über Ausbildungsmöglichkeiten gemacht. Bei dem größten kommunalen Nahverkehrsunternehmen haben rund 30 Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund.
Anonymisierte Bewerbungen als Lösungsvorschlag
Ein Weg zu mehr Chancengleichheit für Menschen mit Migrationshintergrund könnten anonymisierte Bewerbungsverfahren sein, denn viele Jobanfragen scheitern schon in einem frühen Stadium. "Öffentliche und private Arbeitgeber lassen damit inmitten des Fachkräftemangels ein großes Beschäftigtenpotenzial ungenutzt", mahnten die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, und die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) in einer gemeinsamen Erklärung. Darin fordern sie Bewerbungsabläufe, bei denen Angaben, die zur Diskriminierung eines Bewerbers führen könnten, nicht sichtbar werden. Das könnte auf Bewerbungen hinauslaufen, die auf Name, Adresse, Alter, Geburtsort, Nationalität und Familienstand und natürlich auf ein Bewerbungsfoto verzichten. Auch verräterische Informationen zu Wehrdienst, Elternzeit und Sprachkenntnissen sowie Jahreszahlen, die Rückschlüsse auf das Lebensalter zulassen, sollten wegfallen. Dieses Verfahren stelle Chancengleichheit sicher, heißt es in der Erklärung der Antidiskriminierungsstelle und der TGD.
Die Bundeskanzlerin steht dem Projekt anonymisierter Bewerbungen, wie sie in den USA, Kanada und Großbritannien schon länger üblich sind, eher distanziert gegenüber. Das könne man machen, sagte sie am Ende des Integrationsgipfels und fügte hinzu: "Ehrlich gesagt, mir wäre noch lieber ein Land, in dem es nicht darum geht, wie jemand heißt." Sie wünsche sich einen Prozess der gegenseitigen Annäherung. "Integration ist keine Einbahnstraße." Merkel möchte, dass die Jugendlichen beim Deutschlernen und in der Schule besser unterstützt werden. Große Hoffnungen setzt sie, wie auch viele Vertreter der Migranten, in die "assistierte Ausbildung". Dabei werden sozial benachteiligte und lernschwache Jugendliche während ihrer gesamten Lehrzeit von einem Jobvermittler oder einem anderen Experten betreut. Die Integrationsbeauftragte Özoguz rief dazu auf, den Eltern dieser Jugendlichen die Bedeutung einer guten Schulbildung und Berufsausbildung deutlicher zu machen. "Die Eltern sind ein ganz wichtiger Faktor", betonte sie.
Kritiker des Integrationsgipfels vermissen nach dem Meinungsaustausch im Kanzleramt konkrete Schritte, um die Chancen derer zu verbessern, die wegen ihrer Herkunft auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Die Vorsitzende der oppositionellen Linken, Katja Kipping, sprach von einer "Show-Veranstaltung". Sie forderte, die bestehenden Barrieren für Menschen mit Migrationshintergrund zu beseitigen, etwa durch eine umfassende interkulturelle Öffnung und eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes - und natürlich durch standardisierte anonyme Bewerbungen.
Diskussion über Burka-Verbot als Begleitfeuerwerk zum Integrationsgipfel
Während sich die Bundeskanzlerin in Berlin um Verständigung mit den Zuwanderern bemüht hat, machte ihre Parteikollegin Julia Klöckner Stimmung gegen die Verschleierung von Frauen. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende forderte in der Düsseldorfer Zeitung "Rheinische Post" ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit. Die "Burka" stehe nicht für religiöse Vielfalt, sagte Klöckner und ärgerte sich darüber, dass "beispielsweise Schwimmbäder tageweise geschlossen und die Fenster mit Tüchern verhängt werden, weil dort muslimische Frauen oder Männer baden". Es gehöre zu einer offenen Gesellschaft, jemandem offen ins Gesicht schauen zu können. Beim Gipfel selbst spielte diese öffentlichkeitswirksame Meinungsäußerung jedoch keine Rolle.