Merkel will Entwicklungspolitik neu ausrichten
21. September 2010Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor einem Scheitern der Armutsbekämpfung gewarnt, sollte die Entwicklungshilfe nicht stärker an Bedingungen geknüpft werden. Merkel nannte am Dienstag (21.09.2010) in ihrer Rede beim UN-Millenniumsgipfel in New York vier Elemente, um Armut effektiv bekämpfen zu können: Frieden und Sicherheit, Minderung der Armut, Schutz der Umwelt sowie die Förderung von Menschenrechten, Demokratie und guter Regierungsführung. Die Millenniumserklärung und die Entwicklungsziele seien kein Wahlmenü, mahnte die Kanzlerin.
Merkel verlangte eine stärkere Erfolgskontrolle für die Entwicklungshilfe. Nur so könne die Wirksamkeit verbessert werden, sagte sie. "Entwicklungshilfe kann nicht zeitlich unbegrenzt sein. Es kommt also darauf an, begrenzte Hilfsgelder so nutzbringend wie möglich einzusetzen", betonte die Regierungschefin.
Bald Entscheidung über deutschen UN-Sitz
Merkel räumte ein, dass die UN-Ziele zur Armutsbekämpfung nicht bis 2015 erreicht werden könnten. "Dennoch bleiben die Ziele gültig und müssen konsequent durchgesetzt werden", sagte sie. Dies müsse das zentrale Bekenntnis dieses UN-Gipfels sein.
Dabei sei man auch auf handlungsfähige internationale Organisationen angewiesen. Deshalb werde sich die Bundesregierung auch weiterhin für eine UN-Reform einsetzen. Auch mit Blick auf die Ambitionen auf einen Sitz im Sicherheitsrat (die Entscheidung fällt in drei Wochen) erinnerte Merkel daran, dass Deutschland drittgrößter Beitragszahler der UN sei und auch in der Entwicklungshilfe an dritter Stelle unter den Geberländern stehe.
Die Regierungschefin bekräftigte, Deutschland strebe weiter Ausgaben von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungshilfe an. In diesem Jahr erreicht Deutschland jedoch nur eine Quote von etwa 0,4 Prozent.
Kritik an Bundesregierung
In Deutschland sorgte der Rückstand für heftige Kritik. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel Wortbruch vor. Die Bundesregierung sei gegenüber der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union eine "klare Verpflichtung" eingegangen, wolle jetzt aber nichts mehr davon wissen, beklagte er. Schon jetzt klaffe eine Lücke von einer halben Milliarde Euro zum vereinbarten Zwischenziel, "und das Loch wird jedes Jahr größer".
Auch der Linke-Politiker Niema Movassat kritisierte, Deutschland sei vom 0,7-Prozent-Ziel "meilenweit entfernt". Der fehlende politische Wille koste Menschenleben.
Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, warf der Bundesregierung vor, sie habe für die Millenniumsziele "nicht ausreichend gekämpft".
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) räumte ein, Deutschland sei bei seinen Zusagen in Verzug geraten. "Wir sind im Moment nicht im Plan, das ist richtig", sagte er. Wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise müsse man jedoch eine realistische Messlatte anlegen. Niebel sprach sich unter anderem dafür aus, Geld aus der privaten Wirtschaft für die Entwicklungszusammenarbeit zu mobilisieren.
Mehrere Ziele könnten verfehlt werden
Im September 2000 hatten sich 189 Staats- und Regierungschefs auf acht hoch gesteckte Ziele geeinigt. Damit wurden die zentralen Herausforderungen zu Beginn des neuen Jahrtausends definiert. Die ersten sieben Ziele davon enthalten Vorgaben, die mit Unterstützung der Geberländer in den Entwicklungsländern umgesetzt werden müssen. Als Zielmarke gilt dabei das Jahr 2015.
Angestrebt wird, bis zu diesem Jahr den Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, gegenüber 1990 zu halbieren. Auch der Hunger soll auf die Hälfte sinken. Andere Ziele richten sich gegen die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit sowie den Bildungsmangel. Trotz einiger Erfolge steht zu befürchten, dass mehrere Ziele verfehlt werden. Mit einem Aktionsplan wollen die Regierungschefs nun den Kampf gegen Armut und Hunger voranbringen.
Nach neuen Berechnungen der UN leben 1,4 Milliarden Menschen in extremer Armut. 925 Millionen Menschen leiden Hunger. Rund 8,1 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben an Unterernährung und heilbaren oder vermeidbaren Krankheiten.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an die reichen Staaten, in den verbleibenden fünf Jahren ihre Anstrengungen zu erhöhen. Er betonte, allein für das Jahr 2010 fehlten noch 20 Milliarden US-Dollar an Entwicklungshilfe. Die Entwicklungsländer hoffen, dass auf dem Gipfel neue Gelder zugesagt werden.
Autor: Hajo Felten (rtr, ap, dpa)
Redaktion: Eleonore Uhlich