Merkel will die Transitzonen durchsetzen
16. Oktober 2015"Grenzhaftlager", ja sogar "Internierungslager" hatten SPD-Politiker die angedachten Transitzonen an den Grenzen der Bundesrepublik genannt. Ungeachtet dieser massiven Ablehnungsfront beim Regierungspartner bekannte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt erstmals klipp und klar zu dieser Idee, in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) und beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU). Man erlebe eine außergewöhnliche Situation, in der zeitweilig auch ein außergewöhnliches Mittel hilfreich sein könne, sagte sie der FAZ.
Keine "kilometerlangen Zäune"
Diese Transitverfahren an den Binnengrenzen seien befristet nach EU-Recht zulässig. Asylverfahren für Antragsteller aus "sicheren Herkunftsländern" sollten so noch an der Grenze abgeschlossen werden. Diese Zonen seien sicherlich nicht die "alleinige Lösung", könnten aber dazu beitragen, "wieder Ordnung in die Flüchtlingsbewegungen an der Grenze zu bringen", meinte die CDU-Vorsitzende. Dabei handele es sich nicht um Abschottung. Wollte Deutschland keinen einzigen Menschen mehr über die Grenze lassen, seien "viele Kilometer Zäune" nötig - "und noch einiges mehr", so Merkel in dem Interview. Es gebe andere Mittel, die bei der Steuerung helfen könnten, und die zudem "unseren Werten entsprechen".
Vor dem Nachwuchs von CDU und CSU sagte sie in Hamburg, sie wolle die Transitzonen auf jeden Fall in der großen Koalition durchsetzen. "Ich werde jedenfalls nicht ruhen und rasten, bis wir auch die Sozialdemokraten davon überzeugt haben", gab sich die Regierungschefin kampfeslustig.
Zugleich kritisierte Merkel, dass sich einige rot-grüne Bundesländer bei der Abstimmung im Bundesrat über das Asylpaket am Freitag enthalten hatten, etwa Bremen und Niedersachsen. Schließlich gehe es hier um eine "nationale Herausforderung".
Offen für Türkei als "sicheres Herkunftsland"
Trotz der kritischen Entwicklung in der Türkei zeigte sich die Kanzlerin grundsätzlich offen für die Einstufung des Landes als "sicherer Herkunftsstaat". Vor ihrer Reise am Sonntag nach Ankara sagte sie der FAZ, die Türkei sei der einzige EU-Beitrittskandidat, der diesen Status nicht habe. "Natürlich bereiten uns die Achtung der Menschenrechte oder die Situation der Kurden weiter Sorgen, dennoch hielte ich es für falsch, der Türkei diesen Status grundsätzlich zu verweigern." Sie signalisierte auch Bereitschaft zu Visaerleichterungen für Türken.
Kritiker halten Merkel vor, mit ihrem Besuch in den dortigen Wahlkampf einzugreifen, da am 1. November Parlamentswahlen sind. Die Bundeskanzlerin fährt nach eigenen Angaben in die Türkei, um über die Flüchtlingskrise, den Kampf gegen den Terror und den Syrien-Krieg zu sprechen. "Unser Interesse ist es, die Bewegung der Flüchtlinge zu ordnen und zu steuern, das Interesse der Türkei ist es, Entlastung zu bekommen." In der Türkei leben mehr als zwei Millionen Flüchtlinge, vor allem aus Syrien und aus dem Irak.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich in der Nacht zum Freitag im Grundsatz auf einen Aktionsplan geeinigt, um gemeinsam mit der Türkei den Flüchtlingszustrom einzudämmen.
SC/ml (rtr, afp, FAZ)