Merkel widerspricht türkischer "Reisewarnung"
10. September 2017"Zu uns kann jeder türkische Staatsbürger reisen", erklärte Angela Merkel. Bei einem Wahlkampfauftritt im westfälischen Delbrück betonte die CDU-Vorsitzende: "Bei uns wird kein Journalist verhaftet, kein Journalist in Untersuchungshaft gesteckt, bei uns herrscht Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit. Und darauf sind wir stolz."
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte sich bereits am Samstag auf Twitter geäußert: "Fakt ist: In der Türkei, nicht bei uns werden Journalisten verhaftet, die ihre Meinung sagen."
Die türkische Regierung hatte am Samstag eine sogenannte "Reisewarnung" veröffentlicht. Darin mahnt sie die in Deutschland lebenden und die dorthin reisenden Türken, sich vor rassistischer Behandlung in Acht zu nehmen: "Die Wahlkampf-Kampagnen in Deutschland fußen auf gegen die Türkei gerichteten Ressentiments." Fremdenfeindliche Attacken seien nicht auszuschließen. Reisewarnungen für andere Länder sind in der Türkei normalerweise unüblich.
Die Verlautbarung gilt als Retourkutsche dafür, dass das Auswärtige Amt zwar keine offizielle Reisewarnung für die Türkei herausgibt, in der vergangenen Woche aber die Reisehinweise verschärft hat, nachdem wiederholt Deutsche in der Türkei unter dem Vorwurf des Terrorverdachts verhaftet worden sind.
Türkei droht mit Ausbürgerung
Merkel ging bei ihrem Wahlkampfauftritt auch auf die Unterdrückung von Journalisten in der Türkei ein. Sie kritisierte erneut den Umgang mit dem inhaftierten deutschen Korrespondenten Deniz Yücel. "Er sitzt nach unserer Meinung völlig unbegründeterweise im Gefängnis. So wie mindestens elf andere Deutsche." Yücel wurde am Sonntag 44 Jahre alt.
Die Regierung in Ankara geht derweil weiter massiv gegen Andersdenkende vor: Das Innenministerium veröffentlichte eine Liste mit Namen und anderen persönlichen Daten von 99 Türken, denen die Staatsbürgerschaft aberkannt werden kann, wenn sie nicht binnen drei Monaten in die Türkei zurückkehren und sich den Behörden stellen. Die Betroffenen werden unter anderem verdächtigt, Mitglieder von Terrororganisationen zu sein oder die verfassungsmäßige Ordnung stürzen zu wollen. Im Juni hatte das Ministerium bereits eine Liste mit 130 Namen veröffentlicht.
hin/uh (dpa, rtr)