"Eurozone wieder auf dem Gleis"
10. Mai 2014Von Stralsund sollten positive Signale für die Europawahl ausgehen. Der französische Präsident Francois Hollande sagte, man habe in der Bekämpfung der Eurokrise Erfolge gehabt und die "Eurozone wieder aufs Gleis" gebracht. Neues Vertrauen sei erzeugt worden, was die Märkte durch niedrigere Zinsen für Kredite quittiert hätten. Das Mandat der nächsten EU-Kommission müsse eine Perspektive für das europäische Aufbauwerk bieten. Das "größte Abenteuer nach dem Krieg" müsse auch ein "Abenteuer für die Zukunft" sein, sagte der französische Präsident in großen Worten. Es gebe den gemeinsamen Willen, "Europa nicht zu managen, sondern aufzubauen".
Es werde wohl nach der Wahl mehrere Wochen dauern, bis ein neuer Kommissionspräsident gewählt werden könne, kündigte Angela Merkel an. Der EU-Rat habe die Aufgabe, dem Parlament zu sagen, "welche gemeinsame Richtung wir gehen". Die Kanzlerin fügte unisono hinzu, welche Richtung das ihrer Meinung nur sein kann: Wachstum, Innovationen und Arbeitsplätze. Auf eine derzeit von den deutschen Sozialdemokraten geforderte Zusage, dass einer der beiden Spitzenkandidaten Kommissionspräsident werde, wollte sich Merkel also nicht festlegen.
Hollande will arbeitnehmerfreundliche Alstom-Lösung
Auch zum Bieterstreit um Alstom äußerten sich Merkel und Hollande. Sie könne sich ein Europa mit einer einheitlicheren Energiepolitik gut vorstellen. Falls eine Übernahme durch Siemens dafür einen Vorteil brächte, dann werde Deutschland das positiv begleiten. Aber generell seien das natürlich rein unternehmerische Entscheidungen.
Hollande sagte, an dieser Entscheidung werde gearbeitet. Ziel sei, das "Beste für die Arbeitnehmer zu erreichen". Übergeordnet aber sei die Frage, dass Europa iM Bereich Energie unabhängiger werden müsse. Und damit wohl auch vom russischen Gas.
Einig in der Ukraine-Frage
Es werden wohl sensible und arbeitsreiche zwei Wochen werden bis zur Präsidentschaftswahl in der Ukraine am 25. Mai, sagte Merkel zu den aktuellen Ereignissen in der Ukraine, die den informellen Besuch überlagerten. Der "politische Prozess" soll mit einer gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung begleitet werden, die in Stralsund verabschiedet wurde.
Die Wahl in der Ukraine sei von herausragender Bedeutung, sie müssten frei und fair stattfinden können, sagte Merkel. Das Referendum am Sonntag dagegen sei "unrechtmäßig". In der nächsten Woche soll mit Hilfe der OSZE das notwendige Umfeld für die Wahl geschaffen werden und deshalb müsse "alles getan werden, um die Deeskaltion voran zu bringen". Merkel forderte Putin auf, "noch mehr Signale der Deeskalation auszusenden". Und zwar so, "dass diese auch im Osten und Süden des Landes ankommen". Auch müsse der Verfassungsprozess voran kommen, denn es gehe "um die Verfasstheit der Ukraine insgesamt". Und fünftens brauche die Ukraine weitere wirtschaftliche Hilfen. Merkel wiederholte, man sei "bereit zu Sanktionen", aber diese seien kein "Selbstzweck".
Bis spät in die Nacht habe er mit Merkel über die Ukraine-Krise gesprochen, sagte Hollande. Die gemeinsame Erklärung soll noch einmal Kräfte für den "politischen Dialog zu mobilisieren". Ziel sei eine nicht "mehr kritisierbare und transparente" Präsidentschaftswahl.
Besuch mit Hindernissen
Mit dem Auftritt vor der Presse ging ein zweitägiger Besuch des französischen Staatspräsidenten in Merkels Wahlkreis an der Ostseeküste zu Ende. Die Kanzlerin wollte Hollande ihre Heimat zeigen. Doch es war wie verhext. Sowohl bei der Ankunft im Hafen von Sassnitz auf der Insel Rügen, als auch beim Gang über die Strandpromenade und die Seebrücke von Binz regnete es in Strömen. Und auf dem Markt in Stralsund beim Eintrag ins Gästebuch entkamen die Beiden nur ganz knapp einem erneuten Wolkenbruch. Statt strahlend schöner Bilder werden nun wohl eher dunkle Regenschirm-Fotos in die Annalen der deutsch-französischen Freundschaft eingehen.
Die Kanzlerin versuchte vom Wetter mit viel Charme und Lächeln abzulenken und zeigte Hollande mal in Deutsch mit Simultan-Übersetzung, mal in Englisch die architektonischen Highlights. "Das haben sie hier doch schön gemacht und es gibt auch was für Kinder", sagte Merkel in ihrem typisch sachlichen Tonfall in Binz. Und diese Jugendherberge dort, die habe es auch schon zu DDR-Zeiten gegeben. Und jetzt sei das Licht doch gerade besonders schön. Doch Hollande hatte viel damit zu tun, sich durch die Menge von Journalisten und Passanten zu kämpfen. Der Besuch war auch ein gemeinsamer Wahlkampfauftritt zwei Wochen vor der Europawahl. Deshalb durfte auch die Bevölkerung ganz nah dran sein.
Auch beim Outfit blieb der Besuch eher formeller Natur. Beide trugen Businesskleidung, Hollande dunkelblaue Anzüge, Merkel erst einen beigefarbenen, dann einen mittelblauen Blazer - keine Spur von maritimem Freizeitlook mit Polohemd und Chinos. Aber der hätte wohl besser zum Regenwetter gepasst.