Merkel sucht Verbündete gegen Protektionismus
8. Juni 2017Präsident Maurico Macri verfolge eine Politik, die das Land nach langer Zeit der Abschottung wieder geöffnet habe, sagte Angela Merkel in der argentinischen Hauptstadt. "Argentinien hat wieder Zugang zu den Finanzmärkten. Und Argentinien betreibt eine Politik der Offenheit", beschreibt die Kanzlerin die neue politische Marschrichtung in Buenos Aires. Merkel verbindet ihr Lob mit der Forderung nach einer Modernisierung des südamerikanischen Landes.
Wirtschaft hofft auf Milliardengeschäfte
Argentinien brauche eine moderne Infrastruktur, dabei könne Deutschland ein guter Partner sein, sagte Merkel. Sie äußerte die Hoffnung auf einen baldigen Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur, mit den beiden Schwergewichten des Handelsbundes, Brasilien und Argentinien. Dadurch würde eine zollfreie Zone mit über 800 Millionen Menschen entstehen.
Eine Wirtschaftsdelegation mit Vertretern zehn führender deutscher Unternehmen begleitet Merkel bei ihrem Argentinienbesuch. Sie hofft angesichts der Unsicherheit der US-Handelspolitik unter Präsident Donald Trump auf einen neuen Aufschwung im Handel mit Südamerika.
Seit Trump auf die Freihandelsbremse getreten ist, ist Südamerika für die EU wieder deutlich interessanter geworden. Der seit Ende 2015 amtierende wirtschaftsliberale Präsident Macri setzt anders als der US-Präsident auf Öffnung, Exportorientierung und wirtschaftliche Erneuerung. Kanzlerin Merkel hat es in Argentinien nicht schwer: Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas ist traditionell deutschlandfreundlich. In der Bevölkerung ist eine solide Skepsis gegenüber den Vereinigten Staaten traditionell weit verbreitet.
Merkel sieht sich nicht als "Führerin der freien Welt"
Die Kanzlerin sieht auch für das kommende Gipfeltreffen der großen Industrie- und Schwellenländer (G20) Anfang Juli in Hamburg in Argentinien einen wichtigen Partner im Kampf gegen Protektionismus und neue Zollschranken. Zudem übernimmt das Land 2018 von Deutschland die G20-Präsidentschaft.
Mit Blick auf Trumps Ziel, die USA vom Rest der Welt abzuschotten, wies Merkel Erwartungen zurück, sie könne in der Abgrenzung und Auseinandersetzung mit dem US-Präsidenten die "Führerin der freien Welt" sein. Sie würde sagen, "dass keiner alleine auf dieser Welt, keine Einzelperson und kein Land alleine die Probleme lösen kann", sagte Merkel nach einem Treffen mit Präsident Macri. "Wir müssen alle zusammenarbeiten und wir setzen uns beide ... für eine freie offene Welt ein, bei der wir die Globalisierung menschlich gestalten wollen." Zugleich betonte sie angesichts der protektionistischen Politik Trumps: "Man kann vielleicht durch Abschottung für kurze Zeit einen kleinen Vorteil herausholen." Dies sei aber auf Dauer für die Menschen nicht gut.
Merkel in der Synagoge
Ihr erster Termin in Buenos Aires hatte nichts mit der aktuellen Politik zu tun, sondern viel mehr mit der deutschen Vergangenheit. Merkel besuchte die Synagoge "Templo Libertad". Sie steht dort, wo die jüdische Gemeinde am 27. September 1897 das erste jüdische Gotteshaus der Stadt gegründet hat. In Buenos Aires gibt es heute mit rund 250.000 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde Südamerikas.
Während des Nationalsozialismus flüchteten zehntausende Juden aus dem Deutschen Reich nach Argentinien. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich dann Nazi-Verbrecher wie Adolf Eichmann an den Rio de la Plata ab. Er wurde 1960 vom israelischen Geheimdienst Mossad entführt und in Jerusalem zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die deutsche Vergangenheit sei Mahnung, "gegen den Antisemitismus zu kämpfen, wo immer er auftritt", betonte Merkel in der Synagoge.
Zweites Reiseziel: Mexiko
Die Lateinamerika-Reise führt Merkel am Freitag weiter nach Mexiko, wo sie mit Staatschef Enrique Peña Nieto zusammenkommen wird - Mexiko steht besonders unter Druck durch Trump - er will eine mehrere tausend Kilometer lange Grenzmauer bauen lassen, die Mexiko bezahlen soll. Zudem droht er mit hohen Strafzöllen, auch für in Mexiko produzierende deutsche Autobauer.
qu/uh (dpa, rtr, afp)