Merkel steht für stabile Beziehungen mit Russland
16. Januar 2006Der Antrittsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montag (16.1.2006) in Moskau ist nicht ohne Spannung. Denn ihr Amtsvorgänger Gerhard Schröder galt nicht nur als ein wichtiger Fürsprecher Russlands. Vielmehr pflegte er mit Putin eine enge "Männerfreundschaft" und begleitete in den vergangenen Jahren dessen umstrittenen innenpolitischen Kurs ohne jeglichen Tadel. Dafür wurde Schröder von CDU und CSU, als diese noch in der Opposition waren, heftig kritisiert. In Russland befürchteten deshalb vor den Bundestagswahlen viele eine Verschlechterung der Beziehungen im Falle einer Kanzlerin Merkel.
Was ist von Merkel zu erwarten?
Alle Vorzeichen sprechen aber mittlerweile dafür, dass sich die deutsch-russischen Beziehungen durch Bundeskanzlerin Merkel nur in begrenztem Maße wandeln. Sicherlich wird sich der zu Schau getragene kumpelhafte Stil, den die Freunde "Gerd" und "Wolodja" bei ihren Treffen pflegten, ändern - auch wenn Angela Merkel schon allein durch ihre Russischkenntnisse Potenzial besitzt, den Begegnungen mit Putin ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Merkel hat jedoch vor kurzem in einem Interview mit dem Magazin "Spiegel" deutlich gemacht, dass sie die "strategische Partnerschaft" mit Russland fortsetzen wolle. Mit dem Wort "Freundschaft" wollte sie dagegen das deutsch-russische Verhältnis nicht beschreiben, solange es keine gemeinsamen Wertvorstellungen von Demokratie gebe.
Hinter dieser geschickten Differenzierung zwischen "strategischer Partnerschaft" und "Freundschaft" steht das Ziel von Merkel, die Beziehungen mit Russland zu stabilisieren. Denn offensichtlich will Merkel einen einschneidenden Rückschritt in den Beziehungen zu Moskau nicht riskieren: Zu groß ist die Bedeutung Russlands für Fragen wie das iranische Atomprogramm oder die europäische Energiesicherheit - das zeigte nicht zuletzt der russisch-ukrainische Gasstreit. Erst recht bleibt der russische Markt ein Anziehungspunkt für deutsche Unternehmen. Die Ausweitung der wirtschaftlichen Kooperation zwischen Deutschland und Russland gilt daher auch als ein wichtiges Thema der Gespräche zwischen Merkel und Putin.
Zugleich weiß Merkel, dass die heiklen Themen in den deutsch-russischen Beziehungen - Tschetschenien-Krieg, autoritäre Tendenzen in der russischen Politik, rechtsstaatliche Defizite im Fall Chodorkowski, Rückgabe der Beutekunst und Russlands Unterstützung für das iranische Atomprogramm - erst einmal bestehen bleiben werden. Das liegt schon an der russischen Führung, die aufgrund ihres politischen Selbstverständnisses, der vollen Staatskassen und der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung, Kritik von außen unbeeindruckt begegnen wird. Merkel wird - beispielsweise durch symbolische Gesten wie dem offensichtlich geplanten Treffen mit Kreml-Kritikern - die deutschen Sorgen über einzelne Aspekte der politischen Entwicklung in Russland ansprechen. Eine zu lautstarke öffentliche Kritik, die die deutsch-russischen Beziehungen im Kern gefährden könnte, ist aber nicht zu erwarten.
Und wie reagiert Putin?
Präsident Putin ist ein pragmatischer Politiker. Über eine deutsche Russlandpolitik, die semantisch zwischen "strategischer Partnerschaft" und "Freundschaft" differenziert, dürfte er zwar nicht erfreut, aber zufrieden sein. Fern der Wortwahl kommt die deutsche Bereitschaft zur strategischen Partnerschaft Putins außenpolitischem Ziel entgegen, Russland als Energiegroßmacht in die Weltwirtschaft zu integrieren. Die enge Partnerschaft mit Deutschland hat ihm dabei schon sehr geholfen, nicht zuletzt hat Russland für 2006 den Vorsitz in der G8-Organisation inne.