Merkel pocht auf Reformen bei den UN
22. September 2020"Zu oft ist der UN-Sicherheitsrat blockiert, wenn es auf klare Entscheidungen ankommt. Wir brauchen Reformen." Das dürfte der Schlüsselsatz in der Videobotschaft sein, die Bundeskanzlerin Angela Merkel zum 75. Geburtstag der Vereinten Nationen (UN) nach New York geschickt hat. "Die Vereinten Nationen können letztlich nur so gut sein, wie ihre Mitglieder sich einig werden, sagte die CDU-Politikerin. Um die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können, müssten sich die UN aber weiterentwickeln.
Merkel ging in ihrem Video zum Festakt anlässlich des UN-Jubiläums in New York mit Blockierern hart ins Gericht. Länder wie Russland und China nannte sie zwar ebenso wenig beim Namen wie US-Präsident Donald Trump, der wiederholt nationale Alleingänge einer internationalen Konfliktlösung vorgezogen hat. Die Kanzlerin wurde jedoch deutlich genug, als sie sagte, zu oft "müssen die Vereinten Nationen hinter ihren Idealen zurückbleiben, weil immer wieder Interessen einzelner Mitglieder verhindern, dass das Ordnungssystem so funktioniert, wie es müsste". Merkel fügte hinzu: "Doch wer meint, allein besser zurechtzukommen, der irrt. Unser Wohlergehen ist ein geteiltes. Und unser Leid auch. Wir sind eine Welt."
Die Corona-Pandemie zeige beispielhaft, "dass globale Probleme über Ländergrenzen hinweg und auf allen Ebenen Verständigung und Zusammenarbeit erfordern", so die Kanzlerin. Gerade auch bei schwierigsten Sicherheitsfragen, die sich etwa in Libyen oder bei der Tragödie in Syrien stellen, "gilt es trotz aller Rückschläge alles dafür zu tun, gemeinsame und damit tragfähige Antworten zu finden".
Merkel will größeren Sicherheitsrat
Deutschland sei bereit, weiter Verantwortung zu tragen, "gerne auch in einem erweiterten Sicherheitsrat", sagte die Kanzlerin mit Blick auf Vorschläge zur Reform der UN und ihres mächtigsten Gremiums. Hintergrund ist der Wunsch der Bundesrepublik auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, in dem das Land derzeit als nicht-ständiges Mitglied für zwei Jahre vertreten ist.
Merkel würdigte die Arbeit der Vereinten Nationen bei der Friedenskonsolidierung etwa in Afghanistan und in Mali, aber auch bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen sowie im Kampf gegen Armut und bei der Ausrottung der Pockenkrankheit.
Macron beklagt ausgehöhlte Fundamente
Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron äußerte sich anlässlich der Gründung der Vereinten Nationen vor 75 Jahren kritisch. "Unser gemeinsames Haus ist in Unordnung", sagte Macron in seiner Videobotschaft. "Seine Fundamente werden ausgehöhlt, seine Wände werden manchmal rissig unter den Schlägen jener, die es selbst aufgebaut haben."
Die Vereinten Nationen waren 1945 als Nachfolgeorganisation des Völkerbunds gegründet worden, um nach dem Zweiten Weltkrieg internationale Zusammenarbeit zu fördern und Konflikte zu vermeiden. Ihr gehören heute 193 Staaten an. Als offizieller Geburtstag gilt zwar der 24. Oktober 1945; die Jubiläums-Zeremonie wurde aber bereits jetzt im Vorfeld der Generaldebatte abgehalten. Sie stand unter dem Motto "Die Zukunft, die wir wollen, die Vereinten Nationen, die wir brauchen: Bekräftigung unseres gemeinsamen Bekenntnisses zum Multilateralismus".
UN-Generalsekretär António Guterres beklagte zum Auftakt der Zeremonie, derzeit gebe es zu viele "multilaterale Herausforderungen und ein Defizit an multilateralen Lösungen". Er sagte: "Niemand will eine Weltregierung - aber wir müssen zusammenarbeiten, um die Führung der Welt zu verbessern."
kle/AL (dpa, rtr, afp)