Merkel hat den Wahlkampf eröffnet
21. November 2016Die Grünen wollen bei der Wahl im nächsten September einen "echten Politikwechsel" herbeiführen. Parteichefin Simone Peter kündigte einen energischen Wahlkampf gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel an: "Wir werden 2017 dafür kämpfen, dass die Merkelsche Kaputtsparpolitik in Europa, ihre verhängnisvolle Mutlosigkeit beim Klimaschutz und die wachsende Ungleichheit beendet werden", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Co-Vorsitzende Cem Özdemir freute sich in der "Rheinischen Post" schon auf eine "harte politische Auseinandersetzung" mit der Kanzlerin, "in der wir zeigen werden, wie wirksamer Klimaschutz und gesellschaftlicher Zusammenhalt funktionieren können".
Dass man bei den Grünen über den Kurs nach der Bundestagswahl aber durchaus uneins ist, zeigt eine Äußerung der Fraktionschefin im Europaparlament, Rebecca Harms. Die nämlich ließ in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" erkennen, dass ein Bündnis unter einer Kanzlerin Merkel durchaus vorstellbar ist. "Merkel hat ihre Partei mehr als jeder vor ihr in die Mitte geführt und hat die CDU modernisiert", sagte Harms. Sie ermunterte die Grünen aber auch, sich unterschiedliche Koalitionsoptionen offen zu halten.
Die Linken wollen sich im Wahlkampf als einzig konsequente Alternative zur Kanzlerin empfehlen "und ein vierte Amtszeit Merkels verhindern", wie Parteichef Bernd Riexinger der dpa sagte. "Die Linke ist die einzige demokratische Partei, die der dunklen Seite der Macht nicht verfallen ist und Merkels und Seehofers Herrschaft nicht verlängern wird", sagte er. Er unterstellte damit Grünen und SPD, womöglich mit der Union eine Koalition einzugehen. Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht warf Merkel in der ARD vor, mit ihrer Politik die rechtspopulistische AfD "groß gemacht" zu haben. Dies dürfe nicht noch vier Jahre so weitergehen.
"Bankrotterklärung" oder das "letzte Ass"?
Die AfD hält Merkels erneute Kanzlerkandidatur für "eine weitere Bankrotterklärung der Union". Die Kanzlerin habe in ihren bislang drei Amtsperioden "dem deutschen Staat und Volk massiven Schaden verursacht", sagte AfD-Vize Alexander Gauland.
Die Liberalen sehen in Merkel "das letzte Ass im Ärmel der Union". Die Kanzlerin habe Gewicht auf der Weltbühne. Ob dies auch noch in Deutschland der Fall sei, werde sich zeigen, sagte FDP-Chef Christian Lindner.
Warmlaufen bei der SPD
Auch Merkels Koalitionspartner SPD probte schon mal die Wahlkampfrhetorik: "Nach zwölf Jahren im Amt ist die Luft wirklich raus", sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Sie nimmt Merkels erneute Kandidatur als Ansporn für politische Kursänderungen: Die Kanzlerin habe "keine Antworten auf die wirklichen Probleme und Sorgen der Menschen in unserem Land."
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner blickt kritisch auf den Streit der Unionsparteien über die Flüchtlingspolitik. "Die Zwietracht zwischen CDU und CSU wird als Hypothek im Wahlkampf bleiben", sagte Stegner dem "Tagesspiegel". Zwar gelte nach wie vor, dass die SPD Merkel nicht unterschätzen dürfe. "Aber der Mythos von Merkels Unbesiegbarkeit ist dahin."
Die Sozialdemokraten wollen in der sogenannten K-Frage nichts überstürzen. "Was wir tun, und wann wir es tun, beraten wir in der Führung", sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. An diesem Montag kommen in Berlin Präsidium und Parteivorstand der Sozialdemokraten zusammen. Eine Entscheidung über die SPD-Kanzlerkandidatur solle aber noch nicht fallen, heißt es in Parteikreisen. Sollte der Vorsitzende Sigmar Gabriel nicht bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 antreten, steht EU-Parlamentspräsident Martin Schulz dafür bereit.
CSU bleibt schmallippig
In der eigenen Partei stößt Merkels Ankündigung erwartungsgemäß auf viel Zustimmung. CDU-Vize Julia Klöckner lobt den Politikstil der Kanzlerin: "Nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern diplomatisch und mit Bedacht arbeiten." Der CDU/CSU-Wirtschaftsflügel warnt allerdings vor einer Vernachlässigung der Inhalte im Wahlkampf. "Es reicht nicht mehr, nur eine Person in den Vordergrund zu stellen", sagte der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT), Carsten Linnemann.
CSU-Chef Horst Seehofer fand nur recht dürre Worte um seine Rückendeckung für eine erneute Kanzlerkandidatur der CDU-Chefin zu signalisieren: "Es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht und dass sie sich entschieden hat". An einer "gemeinsamen Kanzlerkandidatin" der Union werde es keine ernsthaften Zweifel geben.
Unionskräche als Spannungsmoment
Der Kanzlerin reichte Seehofers Solidaritätsadresse aus München schon völlig aus. "Ich finde, der hat doch ganz konstruktiv gesprochen. Ist doch gut! Da hatten wir schon Kontroverseres", sagte Merkel in der ARD-Sendung von Anne Will.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dem "Handelsblatt", er sei "sehr gespannt, wie Angela Merkel ihren eigenen Laden zusammenhalten will". CDU und CSU müssten zunächst einmal ihre politischen Gemeinsamkeiten klären.
rb/qu/as (afp, ARD, dpa, rtr)