Merkel fordert Kontingente für Flüchtlinge
25. November 2015Es war keine jener Generaldebatten, in der sich Oppositions- und Regierungsparteien auf das Schärfste beharkten. Zum einen dämpfte die allseits geteilte Trauer über die Terroranschläge von Paris die Stimmung im Plenum des Bundestags. Zum anderen kann die Opposition der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel einiges abgewinnen - zumindest, was die grundsätzliche Aufnahmebereitschaft Deutschlands angeht. "Wir schaffen das, weil wir es können", nahm Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, das Motto der Kanzlerin auf.
Die Angriffe Bartschs richteten sich dann vor allem auf das "Chaosbild", das die große Koalition derzeit abgebe. Die Regierungsparteien sind uneins darüber, ob und wie der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland gebremst werden kann. Wegen des Streits wurde die Verabschiedung eines weiteren Gesetzes, das die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber erleichtern soll, vorerst verschoben.
Breitseite gegen die CSU
Vor allem an der bayerischen CSU ließ Bartsch kein gutes Haar. Ihre "verbalen Entgleisungen" beförderten den Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Parteien wie die AfD bekämen dadurch Auftrieb. Es sei unverantwortlich, die Terroranschläge von Paris mit dem Zuzug der Flüchtlinge in Verbindung zu bringen, wie der bayerische Finanzminister Markus Söder es getan habe. "Es ist doch niederträchtig, Flüchtlinge in die Nähe von Mörderbanden zu stellen", kritisierte Bartsch.
"Beschämend" sei das, ergänzte der zweite Redner der Opposition, Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Auch eine mögliche Beschränkung des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge, über den die Regierung nachdenkt, hält seine Fraktion für völlig falsch. Dadurch würden Frauen und Kinder auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer gezwungen.
Auch Hofreiter kritisierte die Regierung für ihren internen Streit über den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik: "Reißen Sie sich endlich zusammen und machen Sie Schluss mit dem Theater." Auf das "Theater" in Berlin und München kam Angela Merkel in ihrer Rede erwartungsgemäß nicht zu sprechen, sondern ging zuerst auf den Krieg in Syrien ein. Der Abschuss des russischen Kampfflugzeugs habe die Lage noch einmal verschärft. Dennoch müsse weiter versucht werden, die Akteure "an einen Tisch zu bekommen", um den Krieg zu beenden und damit die Fluchtursachen zu bekämpfen.
Kontingente als Lösung
"Wir müssen die Illegalität durch die Legalität ersetzen", sagte Merkel über die vielen Flüchtlinge, die sich von Schleusern über das Mittelmeer bringen lassen. Und zwar durch Kontingente, die europaweit vereinbart würden. Durch "simple Abschottung" sei das Problem nicht zu lösen, wiederholte die Kanzlerin ihre Position, räumte aber auch ein, dass sich der Aufbau der sogenannten "Hotspots" an den EU-Außengrenzen schwierig gestalte. Überhaupt gebe die EU im Moment kein gutes Bild ab. Bei der notwendigen Kontrolle der Außengrenzen sei die Türkei ein Schlüsselpartner und müsse mehr Geld bekommen, um mit den Flüchtlingen im eigenen Land fertig zu werden, sagte Merkel.
Erst nach der Betrachtung der globalen Faktoren kam sie auf Deutschland zu sprechen - allerdings weniger auf die Schwierigkeiten als auf die Leistungen bei der Aufnahme der Flüchtlinge. Darauf könne Deutschland stolz sein. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts werde die Bundesregierung trotz der hohen Kosten für die Integration der Flüchtlinge nicht aufgeben, versprach sie. Und ging auf einen Punkt ein, auf den Opposition immer wieder hinweist: Um des gesellschaftlichen Friedens Willen dürfe keine Konkurrenz zwischen den Flüchtlingen und den Arbeitslosen und sozial Schwachen in Deutschland entstehen, sagte Merkel unter lautem Beifall.
"Obergrenzen halten Flüchtlinge nicht ab"
Auch SPD-Chef Thomas Oppermann hält Kontingente, die die EU-Länder unter sich aufteilen, für einen gangbaren Weg. "Die Debatte über abstrakte Obergrenzen führt überhaupt nicht weiter", sagte er. Sie führe auch nicht dazu, "dass ein einziger Flüchtling weniger nach Europa kommt". Deutschland müsse die Geschwindigkeit des Zuzugs "deutlich verringern". Acht Milliarden Euro stelle die Bundesregierung für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen zur Verfügung, sagte Oppermann.
An der Integration dürfe nicht gespart werden, damit keine Parallelgesellschaften entstünden. Wenn die Flüchtlinge zügig Deutsch lernten und sich gut integrierten, müssten sie die Perspektive bekommen, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Wer das nicht schaffe oder wolle, so der SPD-Fraktionschef, müsse sich darauf einstellen, nach Ablauf der dreijährigen Aufenthaltserlaubnis in seine Heimat zurückgeschickt zu werden.