EU soll ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen
24. Januar 2018"Die einheitliche europäische Außenpolitik ist noch nicht ausreichend entwickelt", klagte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Das sei aber notwendig, weil ein Großteil der globalen Konflikte "vor unserer Haustür stattfindet", wie die CDU-Politikerin feststellte. Als Beispiel nannte sie den Syrien-Konflikt. Bei den Versuchen einer Lösung der Krise dort hat die EU so gut wie gar keine Rolle gespielt.
Als weiteren Grund für eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der EU nannte sie den internationalen Wettbewerb. Vor allem ökonomisch müsse die EU "Stärke entwickeln". So müsse unbedingt schnell der digitale Binnenmarkt vollendet werden, weil auch die USA und China schnell voranschritten.
Bankenunion stärken
Auch müsse die Bankenunion vollendet und die Euro-Zone gestärkt werden, forderte Merkel. Zudem solle die EU mehr Verantwortung gegenüber Afrika und in Konfliktherden wie Irak oder Libyen übernehmen.
Zudem sprach sie sich für weitere Reformen in der EU und der Euro-Zone aus: Der Rettungsfonds ESM soll zu einem Währungsfonds weiter entwickelt werden, "ohne auf die ökonomische Kompetenz des IWF zu verzichten", stellte sie klar.
Entschlossen gegen Rechtspopulismus
Merkel nannte die Eurokrise als eine zentrale Herausforderung für Europa, die aber weitestgehend gemeistert sei. Anders sei es bei der Migration. Wenn der Eindruck bei vielen Menschen entstehe, dass ihnen etwas weggenommen werde, dann sei dies das "Einfallstor für Rechtspopulismus". Damit es nicht dazu kommt, müssten wirtschaftliche Schwäche und hohe Arbeitslosigkeit vermieden werden.
Vernünftige Zusammenarbeit
Auf globaler Ebene erteilte Merkel Isolationismus und Protektionismus eine Absage. Ohne US-Präsident Donald Trump zu erwähnen, sagte Merkel: "Abschottung bringt die Welt nicht weiter." Zwar sei Multilateralismus ein zeitraubendes Geschäft. Letztlich sei aber eine Zusammenarbeit der Länder bei der Lösung von Problemen wie dem Klimawandel vernünftiger.
Italien mahnt Trump
Mit Blick auf die "America first"-Politik Trumps fand der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni klare Worte: Es sei zwar in Ordnung für Politiker, ihre Bürger, Firmen und nationale Wirtschaft zu verteidigen, aber es gebe Grenzen. Diese seien dann erreicht, wenn es um internationale Handelsregeln und -Vereinbarungen gehe. Dieses Rahmenwerk müsse arbeitsfähig gehalten und dürfe nicht gestört werden, betonte der Italiener.
Trump wird am Donnerstag in Davos erwartet. Er wird dort am Freitag eine mit Spannung erwartete Rede halten, bei der es auch um Handelsfragen gehen soll. Kritiker werfen Trump Protektionismus vor. Erst diese Woche kündigte der US-Präsident neue Schutzzölle auf Waschmaschinen und Solaranlagen an, um Jobs in den USA zu schaffen oder zu halten.
Macron fordert Zehn-Jahres-Plan für Europa
Der verschärfte internationale Wettbewerb ist nach Ansicht von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die zentrale Herausforderung für die Europäische Union. Die EU müsse sich in den kommenden zehn Jahren reformieren, damit Europa gegenüber China und den USA mithalten könne. Er hoffe, dass die entsprechende Strategie bis Ende dieses Jahres erarbeitet sei.
Als Themen nannte er unter anderem die Migrationspolitik, Energie, Verteidigung und Investitionen. Dabei sollten unterschiedliche Geschwindigkeiten zwischen den Staaten erlaubt sein: "Wir brauchen mehr Ehrgeiz", forderte der 40-Jährige. Falls einige Partner zusammen vorangehen wollten, dürften sie nicht von anderen daran gehindert werden.
Zugleich rief Macron die USA und China auf, sich an internationalen Bemühungen zum Aufbau eines fairen Steuersystems zu beteiligen. Ein gegenseitiger Unterbietungswettstreit um die niedrigsten Steuersätze sei nicht die richtige Antwort auf die Globalisierung.
Fairness bei der Globalisierung
Mit Blick auf die weitere Gestaltung der Globalisierung und der damit verbundenen Gefahr des Rechtsnationalismus forderte Macron einen "neuen weltweiten Pakt", der nicht nur Sache der Regierungen sein dürfe, sondern der in die Modelle von Banken und Unternehmen integriert werden müsse. Der sozialliberale Staatschef nannte dafür als zentrale Punkte: mehr Investitionen und eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung. Auch müsse mehr in Bildung investiert werden.
Zugleich sprach er sich für eine Zusammenarbeit der Staaten aus, um eine Besteuerung großer Internet-Konzerne sicherzustellen. Das Geschäft der großen Digital-Akteure werde Milionen Jobs zerstören - diese Menschen müssten umgeschult werden, was Geld koste. "Wenn diejenigen, die diese Jobs zerstören, nicht bei der Umschulung helfen, kann ich das den Mittel- und Arbeiterschichten nicht erklären."
uh/qu (dpa, rtr, epd)