Merkel drückt im Fall Maaßen aufs Tempo
22. September 2018Überraschende Wende im Fall Hans-Georg Maaßen: Auf Bitten der parteiintern schwer unter Druck geratenen SPD-Chefin Andrea Nahles wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer die eigentlich schon vereinbarte Beförderung des umstrittenen Verfassungsschutz-Präsidenten wieder überdenken.
Sie wolle jetzt mit Nahles und dem CSU-Vorsitzenden Seehofer "eine gemeinsame, tragfähige Lösung finden" und zwar noch im Laufe des Wochenendes, kündigte Merkel (Artikelbild) in München an. Nahles hatte sich zuvor per Brief an Merkel und Seehofer gewandt - und darauf gedrängt, den Koalitionsbeschluss vom Dienstag zu revidieren. In ihrem Schreiben verwies Nahles auf "die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung". Dies "sollte Anlass für uns gemeinsam sein, innezuhalten", schrieb die SPD-Chefin und drängte auf ein neues Treffen der drei Parteichefs.
"Hartes Wochenende"
Die Kanzlerin teilte später mit, es gebe eine Verständigung mit Nahles und Seehofer darauf, "die Lage neu zu bewerten". Dies halte sie auch "für richtig und notwendig", denn "angesichts der vielen außen- und innenpolitischen Herausforderungen" sei jetzt "eine volle Konzentration auf das Regierungshandeln" notwendig.
Grundsätzliche Gesprächsbereitschaft signalisierte nach dem Nahles-Vorstoß auch Seehofer: "Ich denke, eine erneute Beratung macht dann Sinn, wenn eine konsensuale Lösung möglich ist. Darüber wird jetzt nachgedacht", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings gebe es noch keinen Termin für ein neues Treffen. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, äußerte die Erwartung, es werde "ein hartes Wochenende der diplomatischen Bemühungen" zwischen den Koalitionsparteien geben.
Empörung in der SPD
Merkel, Seehofer und Nahles hatten sich ursprünglich darauf verständigt, dass Maaßen als Verfassungsschutz-Präsident abgelöst, aber zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium befördert wird. Das hatte heftige Kritik in der SPD, aber auch von CDU-Politikern ausgelöst.
Die Empörung in der SPD wuchs noch, nachdem bekannt geworden war, dass zugunsten von Maaßen der bisherige Bau-Innenstaatssekretär und Sozialdemokrat Gunther Adler sein Amt verlieren soll. Der nordrhein-westfälische SPD-Landesverband bereitete sogar eine Resolution gegen den Koalitionsbeschluss vor.
Die SPD hatte Maaßens Ablösung an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz vor allem wegen seiner Äußerungen zu rechtsgerichteten Ausschreitungen nach dem Tod eines Deutschen in Chemnitz gefordert. Maaßen hatte öffentlich bezweifelt, dass es in der sächsischen Stadt "Hetzjagden" auf Ausländer gab und damit Merkel widersprochen.
Etliche SPD-Vertreter verlangten nochmals Maaßens Versetzung in den Ruhestand. "Eine Lösung, in der Hans-Georg Maaßen in einem öffentlichen Amt verbleibt, ist keine Lösung", betonte etwa der Chef der Jugendorganisation Jusos, Kevin Kühnert.
"Einfach widerlich"
Der Vorsitzende der Bundespolizei-Gewerkschaft (DPolG), Ernst G. Walter, kritisierte hingegen die Neuverhandlung im Fall Maaßen in scharfen Worten: Semantische Differenzen würden hier aus purem parteipolitischem Kalkül zu Staatskrisen hochstilisiert und auf höchster Ebene getroffene Vereinbarungen wegen fallender Umfragewerte von heute auf morgen wieder infrage gestellt, sagte Walter dem "Handelsblatt". Zugleich werde dabei versucht, einen hochverdienten und erfolgreichen Beamten ohne jede Rücksicht auf den dahinter stehenden Menschen regelrecht zu vernichten. Das sei "einfach nur noch widerlich".
wa/se (afp, dpa, rtr)