Tsipras soll präzise Vorschläge liefern
6. Juli 2015Die Regierung in Athen müsse möglichst schnell einen Vorschlag für die Lösung der griechischen Schuldenkrise vorlegen, forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Francois Hollande. "Hierbei drängt die Zeit, und wir werden darauf Wert legen, dass in dieser Woche solche Vorschläge auf den Tisch kommen müssen", sagte Merkel nach einem Treffen mit Hollande im Elysée-Palast. Die Tür für Gespräche sei offen, betonten beide Politiker.
Der Ball liegt in Athen
Man respektiere den Ausgang des griechischen Referendums. "Aber wir sagen gleichzeitig, dass die Voraussetzungen für den Eintritt in Verhandlungen zu einem konkreten ESM-Programm zurzeit nicht gegeben sind", fügte Merkel hinzu. Auf dem Sondergipfel der Euro-Zone am Dienstag sei es deshalb wichtig, dass der griechische Ministerpräsident den Partnern mitteile, was er zu tun gedenke, um die Finanzierung Griechenlands mittelfristig zu sichern.
Auch Hollande betonte, dass eine dauerhafte Lösung für Griechenland gefunden werden müsse. Solidarität und Verantwortung gehörten immer zusammen, mahnten beide Politiker. Das Angebot an Griechenland sei großzügig gewesen, fuhr Merkel fort. "Auf der anderen Seite kann aber Europa nur zusammenhalten und zusammenstehen, wenn jedes Land auch seine eigene Verantwortung wahrnimmt." Daher würden die 18 anderen Euro-Staaten ihren Standpunkt klarmachen. "Das ist auch Demokratie", sagte die Kanzlerin.
EU-Kommission warnt: keine einfachen Lösungen
Auch die Regierungen Rom und Wien forderten von Athen frische Ansätze zur Lösung der Krise. Die Euro-Finanzminister wünschen ebenfalls "neue Vorschläge von den griechischen Behörden." Das Nein der Griechen zum Sparpaket habe die Suche nach einem Ausweg nur noch schwieriger gemacht, konstatierte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Auch nach der Volksabstimmung müsse es in Griechenland Reformen geben.
Die EU-Kommission warnte Athen davor, auf einfache Lösungen im Schuldenstreit zu setzen. "Es gibt keinen leichten Weg aus der Krise", sagte der für den Euro zuständige Vizepräsident der Kommission, Valdis Dombrovskis. Brüssel respektiere die Entscheidung der griechischen Bevölkerung. Die Ablehnung der bisherigen Reform- und Sparvorschläge der Gläubiger habe aber "unglücklicherweise die Kluft zwischen Griechenland und anderen Ländern der Eurozone vergrößert".
Banken bleiben vorerst dicht
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) entschied, die ELA-Notkredite für die griechischen Banken auf dem aktuellen Niveau beizubehalten. Damit liegt der Rahmen für die Liquiditätshilfen weiterhin bei knapp 90 Milliarden Euro. Dieser Finanzrahmen soll allerdings fast ausgeschöpft sein. Ohne die ELA-Kredite droht den griechichen Banken das Geld auszugehen, da Unternehmen und Privatleute wegen der Unsicherheit, ob das Land im Euro bleiben kann, massiv ihre Konten leergeräumt haben. Die griechischen Banken bleiben auch am Dienstag und Mittwoch geschlossen. Das teilt der Bankenverband des Landes mit. Weiterhin dürfen täglich maximal 60 Euro an Geldautomaten abgehoben werden.
Euro-Gruppe und Internationaler Währungsfonds (IWF) sind sich nach Angaben des Bundesfinanzministeriums in Berlin in ihrer Ablehnung eines Schuldenschnitts für Griechenland einig. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte: "Wir beobachten die Situation genau und sind bereit, Griechenland zu unterstützen, wenn dies gewünscht ist." Den Ausgang des Referendums kommentierte sie nicht.
Vom Außen- ins Finanzressort
Nach dem Rücktritt von Finanzminister Yanis Varoufakis soll der bisherige stellvertretende Außenminister Euklid Tsakalotos das Amt übernehmen.Der 55-jährige Syriza-Politiker werde noch am Montagabend vereidigt, teilte das Büro von Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos mit. Bei den Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern hatte der Wirtschaftsprofessor Tsakalotos zuletzt als "Koordinator" fungiert.
Verhältnis zu den Finanzministerkollegen zerrüttet
Varoufakis, der sich diesen Ausgang des Referendums gewünscht hatte, hatte am Morgen auf seinem Internetblog bekanntgegben, er werde "heute" das Finanzministerium verlassen. Einige Mitglieder der Eurogruppe hätten ihm klar gemacht, dass sie es vorziehen würden, wenn er nicht mehr an ihren Treffen teilnehmen werde. Sein Abschied sei von Tsipras als "potenziell hilfreich" betrachtet worden. "Ich werde die Abscheu der Gläubiger mit Stolz tragen", schrieb Varoufakis.
Für den Fall einer Zustimmung zu den Gläubiger-Plänen hatte Varoufakis zuvor seinen Rücktritt angekündigt, nach dem Nein beim Referendum kam die Entscheidung hingegen überraschend. Der linke Politiker hatte seit Monaten mit seinem konfrontativen Stil und seiner scharfen Rhetorik in der Eurogruppe für Verärgerung gesorgt.
Bei der Volksabstimmung am Sonntag hatten 61,31 Prozent der Wähler mit "Nein" und 38,69 Prozent mit "Ja" votiert, wie das Innenministerium in Athen mitteilte. Damit hat sich im Schuldenstreit eine klare Mehrheit gegen den Sparkurs der internationalen Geldgeber von EU-Kommission, EZB und IWF ausgesprochen.
qu/uh (rtr, dpa, afp)