Menschenrechte auf wackeligen Füßen
4. August 2012Mit ihrer Aktion wollten sie vor einer möglichen Rückkehr zu strikten Zensurvorschriften wie zu Zeiten der Militärjunta warnen. Die Demonstranten in Rangun trugen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift "Stoppt das Töten der Presse" und zogen unter anderem vor die Verlagsgebäude der beiden betroffenen Publikationen "Voice Weekly" und "Envoy". Rund 60 Medienvertreter sammelten in Rangun Unterschriften für eine Petition, die das Ende der Zensur durch die Regierung fordert und an Präsident Thein Sein gerichtet ist. Anlass war die Entscheidung der Kammer für Pressekontrolle, die beiden Magazine zu suspendieren. Ein Vertreter der Zensurbehörde begründete die Entscheidung damit, dass die beiden Blätter gegen die Verpflichtung verstoßen hätten, Artikel vor der Veröffentlichung der Behörde vorzulegen. Das Verbot sei zunächst vorläufig, betonte er.
Der Versuch anderer Medien in Birma, sich mit ihren Kollegen zu solidarisieren, wurde von staatlicher Seite unterbunden. Der Chefredakteur der Wochenzeitung "The Nation", Thant Zin, sagte, er habe eine Titelgeschichte zu dem Protest veröffentlichen wollen, was ihm aber prompt von der Kontrollkammer verboten worden sei.
In den Jahrzehnten der Militärdiktatur (1962-2011) herrschte in dem südostasiatischen Land eine rigorose Pressezensur. Diese war im Zuge der politischen Reformen im vergangenen Jahr deutlich gelockert worden. Dennoch wird Birma auf der Rangliste für Pressefreiheit von "Reporter Ohne Grenzen" weiterhin unter 179 Ländern auf Platz 169 geführt.
Wahrung der Menschenrechte nicht selbstverständlich
Zum Abschluss eines sechstägigen Besuchs in Birma nannte UN-Sonderberichterstatter Tomas Ojea Quintana den Respekt für die Menschenrechte eine der größten Herausforderungen für Birma auf dem eingeschlagenen Weg zur Demokratie.
Quintana hatte sich während seines Besuchs insbesondere über die Lage der Minderheiten im mehrheitlich buddhistischen Birma informiert. Dazu reiste er in den Teilstaat Rakhine an der Grenze zu Bangladesch. Die dort lebenden muslimischen Rohingya gehören nach Einschätzung der UN zu den am stärksten verfolgten Minderheiten der Welt.
Jahrzehntelang wurden die rund eine Million Rohingya von der Militärjunta diskriminiert. Verbessert hat sich ihre Lage allerdings auch unter der zivilen Nachfolgerregierung bislang nicht. Ihnen wird weiterhin die Staatsbürgerschaft verweigert, sie gelten offiziell als Staatenlose. Er sehe in der Diskriminierung der muslimischen Minderheit die Hauptursache für die jüngsten Spannungen in Birma, sagte Quintana nach seinem Besuch. Birmas Regierung rief er auf, das Staatsbürgerschaftsgesetz zu überdenken. Ende Mai war es in der Region zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit gekommen. Dabei kamen nach Schätzungen mindestens 90 Menschen ums Leben, bis zu 100.000 Menschen flohen vor der Gewalt aus ihren Dörfern.
Menschenrechtler: Weltgemeinschaft geblendet
Amnesty International hat Birma wiederholt die Unterdrückung von ethnischen und religiösen Minderheiten, insbesondere den Rohingyas, vorgeworfen. Die neue, formal zivile Regierung von Präsident Thein Sein habe zwar begrenzte politische und wirtschaftliche Reformen vorgenommen, aber Menschenrechtsverbrechen gegen ethnische Minderheiten hätten im Verlauf des vergangenen Jahres zugenommen, teilte die Organisation in ihrem jüngsten Jahresbericht mit
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte, die Weltgemeinschaft ignoriere offenbar schwere Vergehen in Birma, weil sie sich von den Reformen der Regierung blenden lassen würde. "Regierungen unterzeichnen Handelsabkommen und heben Sanktionen auf, während die Gewalttaten weitergehen". Die Regierungskräfte hätten die Übergriffe der Buddhisten auf die muslimische Minderheit der Rohingya nicht gestoppt und seien teilweise sogar selbst daran beteiligt gewesen, heißt es in einem neuen Bericht von HRW.
qu/gmf (dpa, rtre, ape, epd, kna)