Melbournes Negativ-Rekord: 246 Tage Lockdown
4. Oktober 2021Gut eineinhalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie hat die australische Millionenmetropole Melbourne einen unrühmlichen Rekord aufgestellt. Die Hauptstadt des Bundesstaats Victoria am südöstlichen Zipfel des Kontinents komme inzwischen auf zusammengezählt 246 Tage im Lockdown-Modus, meldet der australische Rundfunksender ABC. Damit habe Melbourne dem bisherigen Rekordhalter Buenos Aires den Rang abgelaufen.
In dem Bundesstaat hatten die Corona-Neuinfektionen in letzter Zeit drastisch zugenommen. Vergangene Woche gab es gar einen Rekordwert nach dem anderen. "Victoria, ja, das ist eine große Herausforderung", sagte Australiens Gesundheitsminister Greg Hunt angesichts der hohen Zahlen. Aber es zeichne sich ein Abflachen der Kurve ab. Aktuell meldet Victoria 1377 neue COVID-19-Infektionen, damit gut 100 weniger als noch am Samstag, als ein neuer Höchststand verzeichnet wurde.
Die Behörden machen für den jüngsten Anstieg die Feiern zum Abschluss der Fußballsaison in Australien verantwortlich, bei denen am vorvergangenen Wochenende vielfach gegen die strengen Corona-Regeln verstoßen wurde. Fast die Hälfte der neuen Fälle an diesem Montag betrifft junge Menschen im Alter zwischen zehn und 29 Jahren.
Der sechste Lockdown
Die Region befindet sich seit fast zwei Monaten in einem strikten Lockdown - und das bereits zum sechsten Mal. Nicht nur im Großraum Melbourne mit seinen rund fünf Millionen Einwohnern liegen deshalb bei vielen Menschen die Nerven blank, zumal der Lockdown noch mehrere Wochen andauern soll.
Nachdem 80 Prozent der Bevölkerung mittlerweile zumindest eine erste Impfdosis erhalten haben, wurden die Regeln vergangene Woche trotz der vielen Neuinfektionen leicht gelockert. Inzwischen dürfen sich die Menschen wieder in einem Radius von 15 statt wie bisher zehn Kilometern um ihren Wohnsitz bewegen. Zudem sind Golf und andere kontaktfreie Sportarten im Freien wieder erlaubt.
Australien mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern hatte lange eine Null-COVID-Strategie verfolgt und mit geschlossenen Außengrenzen und extrem rigiden Maßnahmen versucht, das Virus auszumerzen. Mit der Ausbreitung der Delta-Variante mussten aber mehrere Regionalregierungen einräumen, dass die Strategie nicht aufgeht. Inzwischen liegt der Fokus der Behörden darauf, eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen.
Grund zur Hoffnung?
Gesundheitsminister Hunt zeigt sich optimistisch: "Es gibt Grund zur Hoffnung", sagte er mit Blick auf Victorias Nachbarbundesstaat New South Wales, in dem Australiens größte Stadt Sydney liegt. Dort wurde sogar ein starker Rückgang der Neuerkrankungen verzeichnet.
Große Hoffnungen setzt der Minister auch auf das neue Medikament Sotrovimab von GlaxoSmithKline und Vir Biotechnology. Sotrovimab kann offensichtlich bei Corona-Infektionen die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle bei Hochrisikopatienten verringern - wenn es in einem frühen Stadium der Krankheit verabreicht wird. 15.000 zusätzliche Dosen davon waren kürzlich nach Australien geliefert worden.
Neuseeland überdenkt Null-COVID-Strategie
Auch Neuseeland - das lange Zeit als quasi Corona-frei galt - hat mit zunehmenden Infektionszahlen in und um die Millionenmetropole Auckland zu kämpfen. Dort gelten seit diesem Montag wieder verschärfte Regeln. So müssen die Unternehmen in der Region auf kontaktlosen Handel umstellen. Bildungseinrichtungen müssen zumachen, sofern sie wegen der Schulferien nicht ohnehin geschlossen sind.
Premierministerin Jacinda Ardern will nun Neuseelands viel gepriesene Null-COVID-Strategie ändern, da diese den Ausbruch der Delta-Variante nicht verhindert habe. Ein neuer Ansatz sei erforderlich.
Auckland war nach dem Auftreten eines einzigen Delta-Falls im August abgeriegelt worden. Dennoch konnte durch die rigide Maßnahme die weitere Ausbreitung nicht verhindert werden - auch wenn die Zahlen im internationalen Vergleich nach wie vor auf niedrigem Niveau sind. In Auckland wurden bislang 1300 Fälle registriert, 29 an diesem Montag.
Der Versuch, Corona bei null zu halten, sei richtig gewesen, so Adern, solange es keine Impfstoffe gegeben habe. "Jetzt haben wir sie und können damit beginnen, die Art und Weise, wie wir Dinge tun, zu ändern", so die Regierungschefin.
Im Vergleich zu den meisten anderen Industrieländern hatte Neuseeland - ähnlich wie Australien - seine Impfkampagne nur langsam in Gang gebracht. Im August, nach Beginn des Ausbruchs in Auckland, war die Impfquote in die Höhe geschnellt. Seitdem ist die Impfbereitschaft der Neuseeländer aber wieder deutlich zurückgegangen.
AR/gri (dpa, rtr, ap, afp)