Die Idee der Europäischen Union, die "exzessiven" Gewinne der Energieunternehmen zu besteuern, ist gar nicht so neu. Schon Großbritannien, Italien, Rumänien und Spanien haben ähnliche Maßnahmen vorgeschlagen oder eingeführt. So sollen die steigenden Strom- und Heizkosten, die die europäischen Haushalte an den Abgrund bringen, kompensiert werden.
Die Argumente für eine solche einmalige Steuer sind vordergründig überzeugend. Öl-, Gas- und Energieunternehmen gehören zu den größten Nutznießern des Krieges in der Ukraine, der ihnen einen unerwarteten Gewinn beschert hat. Er wurde nicht wegen einer cleveren Investitionsentscheidung, einer Effizienzsteigerung oder Innovation erzielt, sondern es war einfach pures Glück. Also ist es naheliegend, dass dieser Geldsegen unter notleidenden Bürgern umverteilt wird.
Steuern werden längst gezahlt
Dabei wird jedoch übersehen, dass die betreffenden Energieunternehmen bereits ihren Anteil an staatlich vorgegebenen Steuern leisten und damit in die Staatskasse einzahlen. Höhere Gewinne bedeuten im Idealfall nämlich mehr Unternehmenssteuern und somit auch höhere Einnahmen für den Staat. Nachträglich eine willkürliche Besteuerung der Unternehmen einzuführen, ist unfair. Sie haben schließlich ihre Investitionsentscheidungen auf der Grundlage des bestehenden Steuersystems getroffen. Zudem ist die Steuerlast in Ländern wie Deutschland und Frankreich im weltweiten Vergleich bereits sehr hoch.
Übergewinnsteuern wären zweifellos ein Segen für die Staatskassen, die bereits durch Hilfspakete geschröpft sind, um Familien und Unternehmen bei der Bewältigung der einzigartigen Energiekrise zu helfen. Aber diese Steuern sind geradezu unanständig für Regierungen, die äußerst stolz auf ihre gerechten und fairen Steuersysteme sind. Zudem würde eine solche Maßnahme die Unsicherheit der Unternehmen hinsichtlich künftiger Steuern schüren und wahrscheinlich auch Auswirkungen auf ihre Investitionsentscheidungen haben.
Politischer Opportunismus
Übergewinnsteuern sind im aktuellen Kontext schlicht politischer Opportunismus. Sie scheinen eine schnelle Lösung für die wachsende Unzufriedenheit in der Öffentlichkeit zu sein, die einen harten Winter erwartet, während Energieunternehmen tonnenweise Geld verdienen. Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit der Menschen dafür ist, dass ihre Regierungen nach den Gewinnen der Energiekonzerne greifen, um sie dann umzuverteilen. Und wenn es sich dabei um Öl- und Gasunternehmen handelt, die sowieso bereits am Pranger stehen, weil sie fossile Brennstoffe verarbeiten, ist es umso leichter, eine willkürliche, unvorhersehbare Steuer einzuführen.
Es ist aber schwer zu verstehen, warum Regierungen weggeschaut haben, als Firmen wie Apple und Amazon oder sogar BioNTech/Pfizer und andere Gesundheitsunternehmen von der COVID-19-Pandemie profitierten. Ähnlich wie die heutigen Energieunternehmen hatten diese Unternehmen während einer Krise Glück, als der Staat hohe Kosten tragen musste, um die Schwachen zu unterstützen.
Verlässliche Steuersysteme sind notwendig
Befürworter einer Übergewinnsteuer argumentieren, dass man die Invasion Russlands in der Ukraine oder sogar eine Pandemie nicht lange im Voraus hätte vorhersehen können. Dennoch sollten die EU und andere nicht den Forderungen nachgeben, Gewinne von legal geführten Unternehmen zu kassieren, nicht zuletzt rückwirkend. Sie müssen dagegen sicherstellen, dass sie ein verlässliches System einrichten, um unerwartete Gewinne zu bewältigen, wenn die nächste unvorhergesehene Krise eintritt. Nach allem, was wir wissen, könnte die angesichts des sich schnell ändernden Klimas und der wachsenden geopolitischen Unruhen schon hinter der nächsten Ecke lauern.
Wenn es bei der jetzt angedachten Übergewinnsteuer wirklich um eine gerechte Gewinnverteilung in außergewöhnlichen Zeiten geht, dann muss die EU dafür sorgen, dass es sich nicht um eine einmalige Steuer handelt.
Adaptiert aus dem Englischen von Sabine Faber.