Ab und an ist in den Augen der Parlamentarier, die an diesem Mittwoch im Bundestag Fragen an den Kanzler zum Thema Krieg in der Ukraine stellen, so etwas wie Ratlosigkeit zu erkennen. Und das liegt nicht an den Aussagen von Scholz. Mit den allermeisten Antworten des Regierungschefs kann wohl die große Mehrheit der Abgeordneten mitgehen. Es ist vielmehr der Stil, in dem Scholz seine Argumente vorträgt, der zu dieser Ratlosigkeit führt.
Alles, was Scholz sagt, scheint ineinander zu greifen, es gibt nirgends Platz für Zweifel, für Ängste, für Gefahren, für Fehler. Dabei müsste ja allen Beobachtern klar sein, dass in dieser wohl schlimmsten Krise Europas seit Ende des Zweiten Weltkrieges alle Fehler machen, zwangsläufig, auch die mit den besten Absichten.
Scholz trägt vor: Tief erschüttert hätten ihn die Massaker an Zivilisten in der Ukraine. Russland verübe dort Kriegsverbrechen. Deutschland liefert der Ukraine die Waffen, die sie benötigt, "anders als die Vorgängerregierung", fügt Scholz hier hinzu, was nicht ganz fair ist, weil auch die Ampel-Koalition, die Scholz anführt, lange solche Lieferungen abgelehnt hat und erst unter dem Eindruck des Kriegsbeginns handelte.
Die NATO und damit auch Deutschland werde sich nicht direkt in den Krieg hineinziehen lassen, so der Kanzler. Flüchtlinge aus der Ukraine werde Deutschland weiter großzügig aufnehmen. "Sie sind hier willkommen", ruft Scholz den Menschen mit Blick in den Saal zu. Und weiter: Deutschland werde sich möglichst schnell unabhängig machen von russischem Öl und Kohle, auch von Gas, wobei Letzteres am längsten dauert. Alles bekannt, alles schon mal gehört. Und doch wird man das beklemmende Gefühl nicht los, dass das nicht reicht.
Kritik an Scholz perlt ab
Es ist einfach und unfair, Scholz vorzuwerfen, er habe keine der Lage angemessene Emotionalität. Scholz bleibt immer ruhig, scheinbar unbeteiligt, also tut er das jetzt auch. Es ist einfach seine Persönlichkeit, und die darf er ja nun wirklich behalten. Es ist vielmehr seine Art, jede womöglich sogar gut gemeinte Kritik abzubügeln. Es gibt durchaus Berichte, Deutschland könne der Ukraine mehr Waffen liefern, vor allem schneller. Scholz sagt dazu: Das ist alles mit unseren europäischen Partnern so abgesprochen. Es gibt Berichte, wonach die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer an bürokratischen Hürden scheitert und oft chaotisch verläuft. Scholz sagt dazu: Alle tun, was sie können. Und die Hilfsbereitschaft der Bürger in Deutschland sei bemerkenswert.
Kein Zweifel an der eigenen Position, kein Ringen um Argumente. Auch nicht bei der hochaktuellen Frage, ab welchem Zeitpunkt in diesem Krieg sich Deutschland von sich aus von russischem Gas verabschieden müsste, wenn der offenbar zu allen Schandtaten entschlossene russische Präsident das nicht vielleicht von sich aus tut? Wir bauen die Erneuerbaren Energien aus, sagt Scholz dazu, das war von Anfang an unser Plan. Der Kanzler wird sicher wissen, dass die Dramatik hinter dieser Frage eine andere ist: Was passiert, wenn von heute auf Morgen kein Gas mehr fließt? Was heißt das für andere Länder, für Deutschland? Scholz zieht es vor, seinem eigenen Ritual zu folgen und darauf im Grunde nicht wirklich zu antworten.
Nahbarkeit ist kein Zeichen von Schwäche
Es ist gut und richtig, dass Deutschland in diesen schlimmen Tagen einen Kanzler hat, der ganz offenbar die Nerven behält. Das ist sein Job. Aber hier und da wäre eine Andeutung darüber, dass auch Scholz nicht alle Fragen beantworten kann, angemessener. Denn so fühlen und denken ganz viele Menschen, in Deutschland und in vielen anderen Ländern der Welt.
Und noch gar keine wirkliche Antwort gibt es auf die ganz große, alles überstrahlende Frage, Scholz hat sie nicht einmal angerissen: Wenn es stimmt, dass Putin mit seiner Aggression eigentlich den Westen meint, Europa, die Demokratien, dann stimmt es auch, dass wir die Ukrainer gerade diesen Kampf weitgehend allein für uns alle auskämpfen lassen. Mit unermesslichen Opfern.
Es gibt darauf wohl im Moment keine wirkliche Antwort. Aber den Gedanken zuzulassen, wäre ein Anfang. Das würde die Deutschen und ihren Kanzler einander näherbringen. Ansonsten bleibt es bei den ratlosen Blicken, die in den Gesichtern vieler Abgeordneter zu sehen waren.