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PolitikAsien

Myanmar-Aktivisten attackieren das falsche Ziel

25. September 2022

Immer öfter greifen Myanmar-Aktivisten im Netz Hilfsorganisationen und vor allem die UN an, weil diese sich nicht genug von der Militärjunta distanzierten. Die sind jedoch das falsche Ziel, meint Rodion Ebbighausen.

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Myanmar UN Noeleen Heyzer  Min Aung Hlaing
Zu wenig Distanz? UN-Sonderbotschafterin Noeleen Hoyzer und der Vorsitzende der myanmarischen Militärregierung, Min Aung Hlaing, bei ihrem Treffen im August 2022Bild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Bei einem brutalen Helikopterangriff auf eine Schule im heftig umkämpften Bundesstaat Sagaing in Myanmar wurden am vergangenen Freitag mindestens 14 Menschen getötet, davon 12 Kinder. Nicht zum ersten Mal seit dem Putsch von Februar 2021 hat das myanmarische Militär damit gegen internationales Recht und die Rechte von Kindern verstoßen.

Als Reaktion veröffentlichte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) auf Twitter eine Beileidsbekundung. Darin hieß es: "Während viele Details noch unklar sind, spricht UNICEF den Eltern und Familien, die ihre Kinder verloren haben, ihr Beileid aus. […] Schulen müssen sicher sein. Kinder dürfen niemals angegriffen werden."

Die Beileidsbekundung erhielt wütende Reaktionen und wurde von Myanmar-Aktivisten und Organisationen wie "Justice for Myanmar" attackiert. Der Vorwurf: Die UN hätten die Täter - das myanmarische Militär - nicht benannt und würden deswegen versagen beim Schutz der Kinder.

In ähnlicher Weise wird seit Tagen die Organisation Save the Children attackiert, die ebenfalls alle Seiten dazu aufgerufen hat, Schulen und Kinder zu schützen (SAC bedeutet "State Administrative Council", also die Militärregierung).

Dazu ist zu sagen, dass der illegale Helikopterangriff zweifelsohne dem Militär anzulasten ist. Zugleich hat die staatlich kontrollierte Zeitung Myanma Alinn gemeldet, dass sich Widerstandskämpfer der People's Defense Forces in dem Dorf versteckt hätten. Das rechtfertigt nicht den Angriff des Militärs, gibt aber der Stellungnahme von UNICEF recht: Viele Details sind noch unklar.

Klar ist, dass Kinder geschützt werden müssen, und richtig ist, dass UNICEF alle Konfliktparteien dazu aufruft. Zuletzt hat die "Global Coalition to Protect Education from Attack" (GCPEA) in einem Bericht gezeigt, dass Bildungseinrichtungen sowohl vom Militär als auch vom Widerstand widerrechtlich für militärische Zwecke genutzt würden.

Pauschales UN-Bashing

Es ist nicht das erste Mal, dass die Vereinten Nationen und andere ins Kreuzfeuer der Aktivisten geraten. Als die UN-Sonderbeauftragte Noeleen Heyzer im August 2022 Myanmar besuchte und dort auch den Initiator des Putsches, Min Aung Hlaing, traf (Titelbild), wurden Heyzer und die UN beschuldigt, ihre Zeit zu vergeuden und den Putschisten unnötig Legitimität zu verleihen.

Die Sonderbeauftragte sah sich in einem Statement genötigt, auf eine diplomatische Selbstverständlichkeit hinzuweisen: "Das Engagement der UN verleiht in keiner Weise Legitimität".

In einem Beitrag für die "Democratic Voice of Burma" argumentiert der Aktivist Paul Greening, der als Berater für NGOs in Myanmar tätig war, gegen ein direktes Engagement der UN in dem Land. Sein Argument: Dieses richte mehr Schaden an als das es helfe. Die UN betone zwar, nicht politisch zu sein, aber in einem Fall wie in Myanmar sei alles politisch, auch humanitäre Hilfe.

Das ist nicht falsch. Aber wahr ist auch: Humanitäre Hilfe ist nicht ausschließlich politisch. Wenn ein hungerndes Kind Reis erhält und nicht verhungert, ist das gut; selbst dann, wenn das Militär die Reislieferung zuvor politisiert hat oder Bilder mit einem UN-Vertreter propagandistisch ausschlachtet.

Zwischen den Fronten

Sind die Vereinten Nationen, ist das Kinderhilfswerk UNICEF also tatsächlich das richtige Ziel für den Zorn der Aktivisten?

Ich meine: nein. In der massiven humanitären Krise, von der Myanmar betroffen ist, sollte jede Hilfe, jedes humanitäre Engagement, dass das Leid der Menschen lindern kann, willkommen sein. Wer in allen Landesteilen aktiv sein will und nicht nur in den Grenzregionen, muss sich notgedrungen mit dem Militär arrangieren. Manche Hilfsorganisationen haben jedoch inzwischen nicht nur Angst vor der rücksichtslosen Brutalität des Militärs, sondern auch Sorge vor den Anfeindungen des Widerstands. Sie fürchten zurecht, zwischen die Fronten zu geraten.

Es ist aber nicht hilfreich, von allen und jedem ein Bekenntnis zur Revolution und eine Verdammung des Militärs zu verlangen. Die von der Mehrheit im Land erträumte Revolution kann nur dann erfolgreich sein, wenn Raum gelassen wird für humanitäre Hilfe. Wenn aber der Hass auf das Militär und der Wunsch seiner Vernichtung wichtiger wird als der Schutz von Kindern, egal von welcher Seite sie gefährdet werden, wird dies das Leid der Menschen im Land nur vergrößern.

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia