Was soll ich feiern?
Eigentlich feiern wir am Internationalen Frauentag die Ergebnisse von jahrzehntelangem Aktivismus. Nur: Worauf sollte man schon stolz sein in Afrika, wo diejenigen, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden, eher belohnt als bestraft werden?
Das Motto des Internationalen Frauentags 2021 lautet "Frauen in Führungspositionen: Für Gleichberechtigung in einer Zukunft nach COVID-19". Mir fällt es schwer, dieser Idee etwas abzugewinnen, angesichts des Schmerzes und des Leides, das COVID-19 vor allem für Frauen verursacht hat.
Gewalttradition versus Führungsstärke
Sicher, eine Frau war maßgeblich an der Entwicklung des COVID-19-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer beteiligt, und daran sollte man immer wieder erinnern. Aber was ist mit all den Frauen, die die Verfügungsgewalt über ihr Leben verloren haben - nicht nur in den vergangenen zwölf Monaten, sondern über all die Jahren, in denen wir diesen Tag nun schon feiern?
In meinen Augen ist der Weltfrauentag zu einem hohlen Ritual ohne jegliche Konsequenzen verkommen. Wenn ich mich zum Beispiel an die Euphorie erinnere, die dieser Tag für gewöhnlich in meinem Heimatland Kamerun auslöst: Doch zugleich sind dort 43,2 Prozent der Frauen täglich häuslicher Gewalt ausgesetzt, und 39,8 Prozent der Frauen erleben emotionale und 14,5 Prozent sexualisierte Gewalt.
In dem Bewusstsein, dass 56,4 Prozent der Frauen in meinem Land Tag für Tag mindestens eine Form von Gewalt erleiden, fällt mir das Feiern schwer - mit oder ohne COVID-19.
Was soll ich feiern?
Aber ich möchte nicht nur pessimistisch sein. Deswegen habe ich Gründe gesucht, weshalb Frauen in Afrika - vor allem die, die sexualisierte Gewalt erleiden - diesen 8. März dennoch feiern sollten. Auf welche konkreten Ereignisse können wir Frauen also blicken und stolz sein?
Leider fällt mir aus der jüngeren Geschichte nur ein Nennenswertes ein: der neuliche Rücktritt des Vizepräsidenten von Simbabwe, Kembo Mohadi, wegen des Vorwurfs moralischer Unredlichkeit.
Die Tatsche, dass ein afrikanischer Politiker wegen so etwas wie sexuellem Fehlverhalten zurücktritt, ist ein absolutes Novum. Und man muss nicht allzu tief in der Geschichte graben, um zu erkennen, dass dies wirklich selten passiert.
Und es heißt, die Ritterlichkeit sei tot …
Wer könnte die Geschichte von Fezekile Ntsukela Kuzwayo vergessen, die den ehemaligen Präsidenten von Südafrika, Jacob Zuma, der Vergewaltigung beschuldigte? Sie stieß damit eine nationale Debatte über die Vergewaltigungskultur in einem Land an, in dem nach Angaben der Interessensvertretung "Rape Crisis" 40 Prozent der Frauen mindestens einmal in ihrem Leben vergewaltigt werden.
Als der Fall 2005 vor Gericht kam, war Zuma lediglich Vorsitzender der Regierungspartei ANC. Doch trotz der wachsenden Vorwürfe gegen Zuma war es am Ende seine Version, die vor Gericht zählte: dass der Sex einvernehmlich gewesen sei.
Ein Jahr später wurde Zuma mit dem Präsidentenamt Südafrikas "belohnt", das er fast ein Jahrzehnt lang innehatte. Als Präsident blieb er bei seinen Landsleuten mit extrem fortschrittliche Ideen in Erinnerung: zum Beispiel nach dem Sex zu duschen, um eine HIV-Infektion zu vermeiden; dass es nicht normal sei für Frauen, unverheiratet zu bleiben und Kinder zu gebären eine Pflicht und die gleichgeschlechtliche Ehe eine "Schande für Gott".
Die "Kultur" in der "Vergewaltigungskultur"
Aber kehren wir zu Fezekile Ntsukela Kuzwayo zurück: Diese Frau wurde missbraucht, gejagt und bestraft, das Haus ihrer Familie niedergebrannt. Zehn Jahre später starb Kuzwayo mit gerade einmal 41 Jahren, ohne dass ihr Gerechtigkeit zuteil wurde. Und ich soll das alles beiseite wischen und den Frauentag feiern?
Aber gut. Nehmen wir für einen Moment an, dass Zuma nicht einfach davongekommen ist, weil er seine Macht genutzt hat. Nehmen wir - nur um des Argumentes willen - einmal an, die Gerichte hatten Recht und der Ex-Präsident war unschuldig, damit wir zum nächsten Thema überzugehen können.
Reden wir über Kinderehe - eine weitere große "Errungenschaft" für Frauen in Afrika - und blicken wir auf den Fall des nigerianischen Senators Ahmad Sani Yerima, der 2010 mit 49 Jahren ein 13-jähriges Mädchen aus Ägypten heiratete. Er verteidigt dies mit seiner Religion. Yerima sagte der BBC, dass der muslimische Glaube diese Ehe erlaube und dass er "kein Gesetz respektieren würde, das dem widerspricht". Wer ihn aber dafür sanktionieren wolle, möge dies tun.
Sanktionierung durch schuldlose Unbeteiligte
Mächtige mit Vergewaltigung und Kindesmissbrauch davonkommen zu lassen, verdient mehr als "Sanktionen". Es schreit nach kollektivem Handeln auf der ganzen Welt! Stattdessen herrscht Schweigen und das erklärt, wie es sein kann, dass in Nigeria seit Jahren immer und immer wieder Hunderte Mädchen entführt werden, ohne dass die politische Elite irgendetwas unternimmt, um dieses Gemetzel zu beenden.
Es ist kaum etwas darüber bekannt, was diesen Mädchen in Gefangenschaft angetan wird. Aber vielleicht genügt es, sich zu fragen, warum die Terrorbanden es fast immer auf Mädchen abgesehen haben?
Von der Verstümmelung weiblicher Genitalien in Afrika werde ich hier nicht einmal anfangen zu schreiben, weil dieses Thema eine ganze Bibliothek füllen könnte.
Königinnen als Spielfiguren: Frauen in einer Macho-Welt
Machtmissbrauch kann viele Formen annehmen. In manchen Fällen werden Frauenschinder allein dadurch mächtiger, dass sie sich damit brüsten, wie sie Frauen unterwerfen. In anderen Fällen benutzen sie Frauen wie Schachfiguren in einem politischen Spiel.
Nehmen wir den Fall des senegalesischen Oppositionsführers Ousmane Sonko: Die vielen Anschuldigungen gegen ihn wegen sexualisierten Übergriffen werden mit dem Argument abgestritten, das seien erfundene Geschichten, mit denen der Präsident ihn diskreditieren wolle. Egal, wer hier die Wahrheit sagt: Der Fall zeigt, dass Politiker Frauen unverhohlen als Werkzeuge benutzen.
Ehrlich, ich weiß einfach nicht, wie man Frauen in einem derart frauenfeindlichen Klima feiern kann. Wie soll irgendeine Frau hier die Chance bekommen, eine "Frau in einer Führungsposition" zu werden oder überhaupt nur in einer "Zukunft in Gleichberechtigung" zu leben?
Fast ein halbes Jahrhundert Ignoranz
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin eine Befürworterin davon, Frauen zu ertüchtigen. Aber ich will ehrlich sein: Den Internationalen Frauentag empfinde ich wie ein Übertünchen der Gräber der vielen Frauen, die jeden Tag leiden und sterben.
45 Jahre nachdem die Vereinten Nationen ihn erstmals offiziell begingen, fühlt er sich eher nach Rück-, denn nach Fortschritt an - angesichts so vieler Frauen, die in Afrika zugrunde gehen am sexuellen Missbrauch oder anderer Gewalt von Männern, vor allem von solchen in Machtpositionen.
In diesem Sinne sollte der 8. März eher ein internationaler Tag für den Aktivismus gegen die Ungerechtigkeiten sein, die Frauen weiterhin erleiden, als ein Tag zum Feiern. Denn noch gibt es nichts zu feiern.
Vielmehr könnte die anhaltende Diskrepanz zwischen den Feierlichkeiten und der Not, die Frauen erleiden, uns lehren, dass dieser Tag zu einem gesichtslosen Ereignis verkommen ist, das Jahr für Jahr wiederholt wird - ohne jegliche Tiefe oder Fokussierung auf die Befreiung einfacher Frauen und Mädchen.
Und, bis dieser Gegensatz überhaupt angesprochen, geschweige denn überwunden wird, frage ich mich: Was bitte soll ich feiern?
Aus dem Englischen adaptiert von Jan D. Walter