Meinung: Heute weltfremd, morgen zweitklassig
22. Mai 2021An den Fans, so wird auch diesmal die Legende lauten, hat es nicht gelegen. Nun gut, weder in der Arena auf Schalke noch in FC-Stadion im Kölner Stadtteil Müngersdorf hatten sich zuletzt lautstarke Anhänger eingefunden. Auch in Bremen konnten Freunde des Sport-Vereins "Werder" keine Eintrittskarte mehr erwerben, was sie aber am 34. und letzten Spieltag nicht davon abhielt, dem Mannschaftsbus auf dem Weg zum Entscheidungsspiel gegen Borussia Mönchengladbach ein grün gefärbtes Spalier zu bereiten. Die Polizei fürchtete um die Einhaltung der Corona-Regeln. Die Werder-Spieler fürchteten die Gegner offenbar so sehr, dass sie 2:4 verloren. Ein trauriges Spiel, fast so traurig wie das Gesicht des zwischenzeitlich reaktivierten Trainers Thomas Schaaf.
Verdienste in der Vergangenheit
Schaaf? Es ist 14 (!) Jahre her, dass der Coach zuletzt eine Bremer Mannschaft vor dem Abstieg bewahrt hat. Seit fünf Jahren hatte er nicht als Trainer gewirkt. Seine Verpflichtung vor dem letzten Spiel steht auf der nach oben offenen Skala der Verzweiflungstaten dem Engagement von Friedhelm Funkel in Köln nicht nach. Funkel wird nach der Relegation kommende Woche wieder zurück in den Ruhestand gehen, aus dem er - nachdem er im Vorjahr angekündigt hatte, Fortuna Düsseldorf sei definitiv sein letzter Verein gewesen - zurückgekehrt war. Funkel hat, ebenso wie Schaaf, seine Verdienste. Allerdings: Sie liegen in der Vergangenheit.
Die Spiele von Köln und Bremen am Samstag waren so, dass man aus einigermaßen neutraler Ecke heraus keinem dieser Vereine den Klassenerhalt wünschen konnte. Die Schalker hatte man ja schon früher abgeschrieben, nachdem sich das Klubmanagement komplett zerteilt, zerlegt, zerklüftet hatte.
"Gemeinsamer Ausschuss"
Der Kölner Manager Horst Heldt, am Geißbockheim nur halbwegs beliebt, saß am Samstag auf der Ersatzbank seiner Mannschaft so, als dräuten die Folgen einer Verdauungsstörung. Wahrscheinlich ahnte er, dass seine Stunde in seinem Leib- und Magenverein geschlagen hat. Doch bis man sich in dem an internen Konflikten reichen Verein auf eine neue Führungsstruktur verständigt hat, dürfte es eine Weile dauern. Das zuständige Gremium nennt sich "Gemeinsamer Ausschuss". Ein Begriff, den man nahtlos hässlichen Worten wie "Politbüro" oder "Zentralkomitee" hinzufügen kann.
Dabei ist es schon fast egal, ob die Spieler nun über die Relegation ihrem Arbeitgeber in der kommenden Saison die Einnahmen aus den TV-Übertragungen sichern. Die Fans werden ohnehin kommen. Doch deren Melancholie oder Gefühlsduselei verhindert eher den freien Blick auf morsche Strukturen in den Traditionsvereinen. Die Ideen, die man dort zuletzt hatte, waren nicht der Rede wert.
Werder - Schulden und kein Trainer
Dass Bielefeld mit dem frischeren Trainer Frank Kramer den Klassenerhalt geschafft hat, ist bezeichnend. Die Konkurrenten wirken dagegen alt, verbraucht, in Streitigkeiten oder Erinnerungen an Vorvorgestern verstrickt. Als in Köln ein Tor fiel, das dann wegen eines Foulspiels nicht gegeben wurde, spielte die Stadionregie den Karnevals-Klassiker "Denn wenn et Trömmelche jeht" ein. Später fiel noch ein Tor. Wieder "Kölle Alaaf" - auch wenn der Treffer gerade einmal die Teilnahme an der Relegation sicherte. Ach Gottchen. Und Bremen? Dort wird es mit Blick auf die angespannte finanzielle Situation nicht leicht sein, wieder den Anschluss zu finden.
Leider hat man weder in Köln noch in Bremen noch in Gelsenkirchen den Anschluss an modern geführte Vereine gehalten. Die Anhänger werden den Vergleich mit RB Leipzig schmähen, aber wenn sie das tun, müssen sie eben Jahr für Jahr leiden. Einen Klubmanager vom Format des dortigen Oliver Mintzlaff ist bei den Absteigern (Werder), Schon-Längst-Absteigern (Schalke) oder gerade noch nicht abgestiegenen Vereinen (Köln) nicht in Sicht.
Stattdessen aber: ein gewisses Maß an Weltfremdheit. Kölle Alaaf. Oder in Bremen: Schaaf für Florian Kohfeldt vor dem letzten Spieltag. Und nun? Die Mitglieder, die Sponsoren vor allem, sollten auf die Vereine einwirken, damit sich die Klubs für eine wirkliche Modernisierung öffnen. Auf die erinnerungstrunkenen Gesänge der Fans zu hören, hilft in dieser Situation nichts mehr.