Im Grunde ist die Idee, die hinter dem Modernen Fünfkampf steckt, nicht schlecht: Athletinnen und Athleten müssen ihr Können in unterschiedlichsten Disziplinen beweisen, von denen einige überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Dabei sind sowohl Ausdauer, als auch Kraft, Geschicklichkeit und Konzentration gefordert. Was könnte näher dran sein am Anforderungsprofil für eine interessante und anspruchsvolle olympische Sportart?
Das mag sich auch ihr Erfinder Pierre de Coubertin gedacht haben, als er den Modernen Fünfkampf Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte und 1912 ins Olympiaprogramm aufnahm. Der Vater der modernen Olympischen Spiele hatte der Überlieferung zufolge damals einen berittenen Soldaten vor Augen, dessen Pferd im Feld getötet wird, woraufhin er sich mit Degen und Pistole verteidigen muss, um hinterher schwimmend und laufend die eigenen Truppen wieder zu erreichen.
Kaum Reiter unter den Fünfkämpfern
Folgerichtig waren es zunächst auch Soldaten und Polizisten, die im Modernen Fünfkampf antraten. Gut ausgebildete Kämpfer und Reiter, die ihre eigenen Pferde mit in den Wettkampf nahmen. Doch was damals modern genannt wurde, ist gut hundert Jahre später einfach nicht mehr zeitgemäß. Kaum ein Pentathlet ist heutzutage noch von Hause aus Reiter, also über den Reitsport zum Modernen Fünfkampf gekommen, sondern über eine der anderen vier Sportarten. Dementsprechend besitzt auch so gut wie niemand von ihnen ein eigenes Sportpferd.
Die Pferde werden stattdessen von den Veranstaltern gestellt und - so will es das Regelwerk - den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zugelost. Nach nur 20 Minuten Eingewöhnungszeit geht es in den Parcours. Nicht nur Spezial-Springreiter schütteln da den Kopf und sind sich einig, dass das nicht funktionieren kann. Bilder wie bei den Wettkämpfen in Tokio mit zahlreichen Abwürfen, Verweigerungen, bockenden Pferden, teilweise schlimmen Stürzen und der verzweifelt heulenden deutschen Starterin Annika Schleu als "traurige Krönung" des Ganzen sind da die logische Folge.
Besserer Zugang zum Modernen Fünfkampf
Im Grunde muss man für den Eklat in Tokio aber dankbar sein, weil die bestehenden Missstände so auf der größtmöglichen Bühne offen zutage traten und die notwendigen Veränderungen beschleunigt wurden. Es ist gut und richtig, das Springreiten zu ersetzen, nach Paris 2024 möglicherweise durch eine Radsportdisziplin, auch wenn das einen tiefen Einschnitt bedeuten würde, vor allem für die Athletinnen und Athleten, die mit dem jetzigen Disziplinensystem groß geworden sind und sich nun umstellen müssen.
Allerdings kann man Radfahren - sogar wenn es um Spezialdisziplinen wie BMX oder Mountainbiken geht - leichter lernen und trainieren als das Springreiten, bei dem es sehr viel um das richtige Gefühl für das Pferd und die Harmonie zwischen Tier und Reiter geht. Der Wechsel zum Radsport eröffnet daher auch dem Nachwuchs oder Quereinsteigern einen einfacheren Zugang zum Modernen Fünfkampf. Auf einem Fahrrad hat schließlich fast jeder schon einmal gesessen, geritten sind dagegen nur wenige.
In Kauf genommene Tierquälerei
Gute Reiter sind selten - wobei die teilweise ungenügenden Reitqualitäten vieler Fünfkämpfer im Grunde gar nicht das vordringliche Problem sind. Viel kritischer ist zu sehen, wie bei vielen kleineren Turnieren, bei denen es nicht um Olympia- oder WM-Gold geht, mit den Pferden umgegangen wird. Da es schwierig ist, Besitzer zu finden, die bereit sind, ihre guten (und teuren) Pferde durchschnittlichen bis unterdurchschnittlichen Springreitern zur Verfügung zu stellen, kommt es regelmäßig vor, dass Veranstalter sich die Pferde "woanders" beschaffen müssen. Für Turniere in Deutschland werden daher oftmals billige Tiere aus Osteuropa besorgt.
Wie der Deutschlandfunk bereits vor den Olympischen Spielen berichtete, war das in jüngerer Vergangenheit immer wieder der Fall. Die Pferde kamen aus Polen, waren vom langen Transport geschwächt, teilweise abgemagert oder krank und vielfach generell den Anforderungen eines Springparcours nicht gewachsen. Dass ein "moderner" Sport eine solche Tierquälerei in Kauf nimmt, damit Wettbewerbe durchgeführt werden können, darf nicht sein.
Eine Streichung des Springreitens und die Aufnahme einer Radsportdisziplin ist daher auch diesbezüglich ein Segen. Denn anders als die Pferde sind Fahrräder tatsächlich nichts weiter als Sportgeräte. Sie können demnächst auch gerne jedes Mal aus Osteuropa zu den Wettkämpfen herangekarrt werden - und sogar über Nacht irgendwo in einem Lastwagen eingeschlossen stehen. Es wird keines von ihnen darunter leiden oder sogar daran zugrunde gehen.