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Echte "Einheit" statt "Wiedervereinigung"

Kommentarbild | Dr. Harrison Mwilima
Harrison Mwilima
3. Oktober 2021

Die Bundestagswahl hat gezeigt, dass der Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland noch immer groß ist. Zeit, die Einheit als mehr anzusehen als einen rein formalen Akt, sagt DW-Redakteur Harrison Mwilima.

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Deutsche Fahne ist aufgezogen vor dem Reichstagsgebäude
Parlamentssitz und Symbol der Wiedervereinigung: das Reichstagsgebäude in BerlinBild: Winfried Rothermel/picture alliance

Wenn man sich das vorläufige Endergebnis der Bundestagswahl von letzter Woche anschaut, fällt schnell ins Auge, dass der Osten und der Westen Deutschlands unterschiedlich gewählt haben. Im Südosten Deutschlands hat die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) Zugewinne verbuchen können, während die etablierten Parteien SPD und CDU weiter Boden verloren haben.

Die Ergebnisse haben mich nicht überrascht. Während des Wahlkampfes bin ich mit der Redaktion von DW Afrika per Bus durch Deutschland gereist, habe Orte in Ost und West besucht. Was mich am meisten überrascht hat, war die starke Sichtbarkeit von AfD-Wahlplakaten in Städten wie Halle (Saale) im Osten. Dort hatte ich die Möglichkeit, mit Politikern und Wählern direkt ins Gespräch zu kommen. Dabei wurde mir klar: Wähler in Ostdeutschland sind den etablierten Parteien gegenüber kritisch eingestellt. Viele fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Die AfD zu wählen ist für viele ein Weg, ihre Wut über die Politiker auszudrücken. Einheit entsteht wohl erst, wenn sich beide vereinigten Teile der Ungleichheiten bewusst werden.

Kommentarbild | Dr. Harrison Mwilima
DW-Redakteur Dr. Harrison MwilimaBild: Carolin Seeliger

Teilung für die einen - Einheit für die anderen

Die Gründe sind vielfältig. Der Kalte Krieg hatte Deutschland in zwei Teile geteilt. Gleichzeitig schuf die Teilung ein gewisses Gefühl der Einheit innerhalb der Länder des sozialistischen Blocks. Afrikanische Länder, die von sozialistischen Parteien regiert wurden, wurden durch die Proklamation von Solidarität in diese Einheit mit aufgenommen. Vor dem Hintergrund der sozialistischen Idee, dass alle Länder sich gegenseitig unterstützen müssten, kamen Tausende junger Leute aus Mosambik und Angola in die Deutsche Demokratische Republik (DDR), um dort zu arbeiten und den Facharbeitermangel in Schlüsselindustrien zu beheben. Junge Leute wurden sogar mit Stipendien dazu bewegt, an den Universitäten der DDR zu bleiben.   

DW Mitarbeitende der Afrika Programme
Vor der Bundestagswahl machte das Team von DW Afrika in mehreren deutschen Städten Halt - natürlich auch in BerlinBild: Harrison Mwilima/DW

Dieses Gefühl der Einheit zwischen den sozialistischen Ländern endete plötzlich mit dem Fall der Berliner Mauer 1989. Einige Arbeiter blieben auch über die Deutsche Wiedervereinigung hinaus in Deutschland, andere mussten zurück nach Mosambik und Angola.

"Einheit", das könnte viel mehr sein

Der Blick in die Geschichte zeigt, wie vielfältig der Begriff "Einheit" sein kann. Eine Wiedervereinigung kann auf vielen verschiedenen Ebenen stattfinden und ist ein andauernder Prozess. Regionale Integration ist heute eines der wichtigsten Vorhaben sowohl der Europäischen, als auch der Afrikanischen Union. Ich habe das Gefühl, dass es zunehmend eine Sehnsucht danach gibt, eine Einheit zwischen Menschen, Regionen und Ländern herzustellen.

31 Jahre nach der Wiedervereinigung, wäre es doch eine gute Idee, ein Ideal der Einheit hoch zu halten, bei dem das Erreichen dieser "Einheit" als ein natürliches und ständig wachsendes Bestreben angesehen wird.

Adaptiert aus dem Englischen von Friedel Taube.