Die Farbe des Blazers wechselt, die Botschaft bleibt die gleiche: Einmal mehr verkündet die Kanzlerin nach der Videokonferenz mit den Regierungschefs der 16 Bundesländer mit ernster Miene, dass Deutschland im Lockdown bleiben muss. Der Kampf gegen die Corona-Pandemie geht zum dritten Mal in drei Monaten in die Verlängerung. Was dann kommt? Mal sehen. Hängt von der Infektionslage ab.
Glaubt wirklich jemand, dass es am 14. Februar viel besser aussehen wird, dass die Infektionslage dann so weit im Griff ist, dass Schulen, Kindergärten, Geschäfte und Restaurants wieder öffnen können? Sicher nicht. Im März? Wohl kaum. Ostern? Vielleicht. Unter Auflagen. Anfang April ist es noch nicht warm genug, um das Leben wieder nach draußen verlagern zu können, so wie im letzten Sommer. Und es werden auch nicht ausreichend Menschen geimpft sein.
Kann die britische Mutation noch eingefangen werden?
Wirklich besiegt werden kann das Virus bekanntlich nur über eine weitgehende Immunität. Ob und wann wir die erreichen, hängt auch von der Fähigkeit des Corona-Virus ab, schnell und substanziell zu mutieren. Wie lange wird der Impfstoff auch gegen Mutationen wirksam sein? Europa hat zu wenig Serum eingekauft, um schnell Millionen Menschen impfen zu können. Ein fataler Fehler im Wettlauf gegen die Zeit.
Zumal die Mutation aus Großbritannien, die in Europa auf dem Vormarsch ist, noch viel infektiöser ist. Beratende Virologen haben im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz britische Verhältnisse für den März in Aussicht gestellt und auf einen kompletten Lockdown gedrängt. Etwas, was im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz schon unter dem Stichwort "Mega-Lockdown" diskutiert wurde.
Politik im Dilemma
Doch die Politik hat sich dagegen entschieden. Setzt lediglich auf mehr Maskenpflicht, mehr Abstand und mehr Homeoffice, also auf eine Verstärkung dessen, was ohnehin angesagt ist. Doch wird das reichen? Die Infektions- und Todeszahlen sind zwar leicht zurückgegangen, doch weit davon entfernt, annehmbar zu sein.
Die Politik steckt in einem Dilemma. Auf der einen Seite ist die Gefahr immer noch groß, angesichts der Mutationen vielleicht sogar noch größer als zuvor. Doch um in einer freien, liberalen Demokratie harte Maßnahmen durchsetzen und auf die Einsicht der Bürger setzen zu können, braucht es unbedingt Akzeptanz - und die bröckelt.
In der zweiten Welle ist vieles anders
Deutschland ist zu Beginn des Jahres 2021 nicht mehr das Land ist, das es zu Beginn der Pandemie war. Die erste Welle war schockierend und motivierend zugleich. Es gab eine gemeinsame Kraftanstrengung, einen gemeinsamen Nenner. Die Angst vor dem Virus ließ jeden zuhause bleiben, der es konnte. Große Teile der Wirtschaft waren geschlossen. Die Innenstädte waren verwaist, die Straßen so leer, dass einzelne Fahrspuren zu Fahrradwegen erklärt wurden und auf den Autobahnen hätte man gefahrlos spazieren gehen können.
In der zweiten Welle sind die Straßen voll. Die Wirtschaft arbeitet weiter und das ist politisch auch so gewollt. Selbst Deutschland kann es sich kein zweites Mal leisten, die wirtschaftlichen Schäden eines kompletten Lockdowns mit weiteren Krediten im Staatshaushalt aufzufangen.
Nach fast einem Jahr Pandemie ist vieles zur Gewohnheit geworden und die Menschen haben gelernt, im ständigen Ausnahmezustand zu leben. Sie sind abgestumpfter gegenüber der Gefahr, aber gleichzeitig auch pandemiemüde und deprimiert. Haben keine Kraft und keine Lust mehr für eine weitere Anstrengung. Für noch mehr Wochen in der Einsamkeit eines Singlehaushalts oder im familiären Chaos mit allem, was geschlossene Schulen und Kindergärten mit sich bringen.
Der Widerstand wächst
In der Politik, aber auch in der politischen Kommunikation sind viele Fehler gemacht worden. Mehr Menschen hinterfragen zum Teil widersprüchliche und schwer nachvollziehbare Maßnahmen. Warum muss der Friseur geschlossen bleiben, aber im Supermarkt an der Kasse dürfen sich die Menschen drängeln? Warum darf man nicht ins Restaurant, sitzt aber dicht gedrängt in Bus und Bahn? Warum werden die besonders Gefährdeten, die Alten und Kranken, nicht viel besser geschützt? Hochwertige medizinische Masken und Testpflicht in den Heimen? Hätte man auch schon früher haben können.
Der Unmut wächst auch in der Wirtschaft. Branchen, die im Lockdown sind, stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand und müssten eigentlich Insolvenz anmelden. Kunst- und Kulturbetriebe, die gesamte Veranstaltungsbranche existieren praktisch nicht mehr. Hilferufe verhallen und es macht sich die bittere Erkenntnis breit, dass Gastronomie und Kultur nicht systemrelevant sind. Während die Lufthansa ihre Milliardenhilfen flott auf dem Konto hatte, wartet mancher Wirt heute noch auf die im November versprochene Unterstützung.
Die schwersten Monate
Auch wo es wirtschaftlich noch läuft, kann die Politik nicht mehr punkten. Die Rufe nach Lockerungen werden immer lauter. Mehr Homeoffice für die Mitarbeiter? Nicht so gerne, denn das könnte ja nach der Pandemie zur Gewohnheit werden. Selbst wenn jetzt verfügt wird, dass Arbeitgeber ihren Angestellten bei angespannter Infektionslage Heimarbeit anbieten müssen, werden uneinsichtige Arbeitgeber Mittel und Wege dagegen finden. Im Zweifel lassen betriebliche Abläufe kein Homeoffice zu.
Die nächsten Monate würden die schwersten in der Pandemie werden, hieß es schon im Dezember. Was das wirklich bedeutet, wird jetzt deutlich. Menschen brauchen Ziele. Positive Ziele. Dinge, auf die sie sich freuen können. Draußen ist es kalt, nass und grau. Kein Problem, wenn es drinnen fröhlich und gesellig zugeht, die nächsten Ferien, der nächste Urlaub greifbar sind. Nichts von dem ist derzeit in Aussicht. Im Gegenteil. Die Luft ist raus. Auch weil wirkliche Erfolge ausbleiben. Die Politik setzt auf das Prinzip Hoffnung und darauf, dass alle durchhalten. Irgendwie.