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Politik

Das dicke Ende kommt noch

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Jens Thurau
12. Mai 2021

Die Bundesregierung hat schnell auf das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert. Das neue Klimaschutzgesetz ist aber nur der Rahmen, die Details bergen Konflikte, meint Jens Thurau.

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Protest der Greenpeace-Jugend vor Kanzleramt. Große Papp-Köpfe von Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier sitzen auf Schulbänken, während ein "Lehrer" an der Tafel die Klimaproblematik erläutert.
Politiker auf die Schulbank, fordert die Greenpeace-Jugend vor dem Kanzleramt, während drinnen das Kabinett das neue Gesetz berietBild: Maja Hitij/Getty Images

Das ging mal wirklich schnell: Getrieben von der rasant steigenden Bedeutung des Themas Klimaschutz im Wahlkampf und den eigenen, miesen Umfragewerten haben CDU, CSU und SPD ein neues Klimaschutzgesetz aus dem Boden gestampft. Oder besser gesagt: Sie haben die alten Klimaziele einfach in die Schublade gelegt und ganz neue, weitaus ambitionierte präsentiert.

Auslöser dafür gibt es einige: Das Bundesverfassungsgericht hat vor gut zwei Wochen entschieden, dass die Bundesregierung beim Klimaschutz nachbessern muss, um die Freiheitsrechte jüngerer Generationen zu schützen. Eine Ohrfeige für die Klimapolitik der vergangenen Jahrzehnte. Dennoch hätte die Politik bis Ende nächsten Jahres Zeit gehabt, um nachzubessern. Aber die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD haben erkannt, dass sie am Thema Klimaschutz endgültig nicht mehr vorbeikommen, wenn sie den Grünen im Wahljahr das Feld der Ökologie nicht von vornherein kampflos überlassen wollen. Also wird Deutschland jetzt schon bis 2045 klimaneutral, nicht erst bis 2050. So steht es jedenfalls im Gesetz.

Die Großwetterlage verlangt rasches Handeln

Das passt zur gerade vorherrschenden politischen Großwetterlage gut vier Monate vor der Bundestagswahl. Alle reden vom Klima und davon, dass jetzt beherzt zugepackt werden muss: mehr Windräder, weniger Kohlestrom, mehr Elektroautos. Erstaunlich, wer da so alles immer schon wusste, dass es zum Schutz des Klimas keine Alternative gibt.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Das Problem bei näherem Hinsehen ist, dass das neue Gesetz viele schöne neue, härtere Klimaziele verspricht, aber nichts über die Maßnahmen sagt, die dafür nötig sind. Sportlich wird versprochen, bis 2030 nun satte 65 Prozent an Klimagasen einzusparen, nicht wie bislang 55 Prozent. Und das geht nur, wenn Klimaschutz jetzt wirklich spürbar wird. Für die gesamte Gesellschaft, für alle Wirtschaftssektoren.

Wie ernst es die Politik mit den neuen Klimaschwüren meint, wird sich deshalb erst nach der Bundestagswahl zeigen. Die bislang vorherrschende Strategie der Regierung war es, auf die Energiewende zu setzen und den umweltgerechten Umbau der Wirtschaft, auf Anreize, auf eine staatliche Abgabe für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und all das möglichst so, dass es den Bürgern kaum wehtat.

Es wird Gewinner und Verlierer geben

Jetzt, mit den neuen Zielen, müsste Deutschland wesentlich früher raus aus der restlichen Kohleverstromung, nicht erst wie bislang geplant bis 2038, sondern wohl schon in gut zehn Jahren. Der zuletzt stockende Ausbau von Wind-und Sonnenenergie müsste vorangetrieben werden, was schon heute für erhebliche Konflikte vor allem in ländlichen Regionen sorgt. Und vor allem: Klimagase müssen endlich einen richtigen Preis bekommen, sonst gelingt der Umstieg nicht.

Mit anderen Worten: Die fröhliche Reise in die nachhaltige Zukunft ist in Wahrheit ein heftiger gesellschaftlicher Konflikt, der Gewinner und Verlierer erzeugen wird, der zu sozialen Härten führen kann. Bei Autofahrern, Hausbesitzern, Mietern. Eigentlich ist ein konsequenter Klimaschutz für die Politik kein Gewinnerthema, auch wenn alle gerade zu tun.

Das Urteil aus Karlsruhe verpflichtet alle Parteien

Am Ende werden die Vorteile, rechtzeitig auf konsequenten Klimaschutz zu setzen, die Nachteile übertreffen. Diese Erkenntnis ist zwar schon lange in der Politik angekommen, aber tatsächlich wurden die wirklich harten Schritte stets auf künftige Legislaturperioden verschoben.

Wichtig wäre jetzt, dass alle Parteien, bei allen Unterschieden im Detail, erkennen, dass die zentrale Botschaft des Urteils des Bundesverfassungsgerichts für sie alle gelten muss: Wer jetzt nicht handelt, setzt die Zukunft kommender Generationen aufs Spiel. Aber ein Zuckerschlecken wird das nicht. Kaum ist Licht am Ende des Pandemie-Tunnels, steht schon die nächste Mondlandung zur Bewältigung für die Politik parat. Bewegte Zeiten, stressig und konfliktträchtig, nicht nur in Deutschland.