Das Wahlprogramm der Union rockt nicht
Es steht aus Sicht der eigenen Wählerklientel viel Gutes und Richtiges im Wahlprogramm von CDU und CSU. Aber dass es "rockt", wie CSU-Chef Markus Söder bei der Präsentation behauptete, ist doch ziemlich übertrieben. Dafür fehlen die Aha-Momente, die Ecken und die Kanten - stattdessen viel Kontinuität, Besser-Mach-Appelle und Schön-Klingendes. Das klingt deshalb weniger nach rockiger E-Gitarre, als eher nach Klavier-Sonate von Mozart.
Da steht zwar mancher Trommel-Wirbel im Text, der nun endlich eine Änderung zum Besseren ankündigt - etwa bei den Themen Digitalisierung und Bürokratie-Abbau. Nur saß eigentlich die Union schon die vergangenen 16 Jahre am Schlagzeug, um den Takt vorzugeben. Was aber offenbar an vielen Stellen nicht gelang. Ob nun eine zusätzliche Pauke oder neue Schlagstöcke gekauft werden sollen, wird im 138-Seiten-Papier jedoch nur vage beantwortet.
Die Konkurrenz schläft nicht
Für viele spielt die Musik inzwischen längst woanders - nämlich bei den Grünen. Deren Fan-Gemeinde wird immer größer. So schien es zuletzt sogar erstmals möglich, dass demnächst nicht die Union im Kanzleramt den Ton angibt, sondern die Grünen das übernehmen. Allerdings hat deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zuletzt für einige Misstöne beim Wahlvolk gesorgt. Trotzdem: Nach 16 Jahren an der Macht fallen die Antworten im Wahlprogramm von CDU/CSU angesichts der konkreten Gefahr des Machtverlustes viel zu leise aus.
Nicht zu vergessen die Black-Metal-Truppe AfD, deren wummernde Bässe aus dem Proberaum im Kellergeschoss den Spielbetrieb zu stören versuchen.
Und: Der CDU-Vorsitzende und gemeinsame Kanzlerkandidat Armin Laschet als neuer Frontmann wirkt im Vergleich zu seinem Konkurrenten Markus Söder noch immer weniger einnehmend. Obwohl beide den Kampf um das Pult für entschieden erklärt haben, machte Söder auch bei der Präsentation des Wahlprogramms die bessere Figur - und genoss das sichtlich.
Beim Regieren wird dann doch improvisiert
Nun ist ein Wahlprogramm noch keine Partitur. Die Noten, nach denen wirklich gespielt wird, werden erst in Koalitionsverhandlungen geschrieben. Und beim Regieren wird dann trotzdem noch oft und gerne improvisiert. Aber: Diese Wahl fällt aus dem Rahmen, weil sich erstmals seit 1949 kein Band-Leader zur Wiederwahl stellt. Weshalb auch Angela Merkels alter Wahlkampf-Hit "Sie kennen mich" nicht mehr funktioniert.
Und so hätte man zum Ende der 16-jährigen Ära der bisherigen Frontfrau schon gerne gehört, warum die alte Band eigentlich weiterspielen soll. Über ein paar neue Passagen, die wirklich im Ohr bleiben, hätte sich das geneigte Publikum im Saal sicherlich gefreut.