Als ich ein Teenager war, wurde mir eingebläut: "Was im Schlafzimmer passiert, bleibt im Schlafzimmer". Obwohl das zweifelsohne kein besonders kluger Ansatz ist, wenn es um solch natürliche Dinge wie Liebe und Sexualität geht, war er doch mein moralischer Kompass, wenn ich verliebt war und jemanden für mich begeistern wollte.
Zur etwa gleichen Zeit, ich war etwa 18, hörte ich von Justin Fashanus Tod. Fußball hatte mich bis dahin nie groß interessiert, aber diese Nachricht ging mir extrem nah. Der Fußballer Fashanu war für mich eine Art Vorbild gewesen. Eine Person of Colour, mit einem nigerianischen und guyanischen Hintergrund. Einer, der es gewagt hatte, allen Konventionen des Patriarchats den Mittelfinger zu zeigen und einfach nur authentisch der zu sein, der er war: ein schwuler Mann.
Genau dieses Patriarchat hinderte ihn aber daran, er selbst zu sein. Jahrelang verfolgten ihn die Medien. Dass er als Profi-Fußballer Männer liebte, wurde zum Skandal. Nach seinem Coming-out 1990, das großes Medieninteresse hervorgerufen hatte, wollte ihn kein Klub mehr verpflichten.
Selbst schuld?!
Klar kann man sagen, dass Justin Fashanu mit seinem Coming-out via Boulevardblatt selbst dazu beigetragen hatte, in den Fokus der Öffentlichkeit zu geraten, und dass ihm das dann zum Verhängnis wurde. Seine Geschichte hatte er für Geld an eine Zeitung verkauft. Während seiner Karriere pflegte Fashanu einen verschwenderischen Lebensstil. 1981 war er der erste schwarze Spieler, der für eine Ablösesumme von einer Million Pfund den Verein wechselte - von Norwich City zu Nottingham Forest. Doch nach dem abrupten Ende seiner Fußballkarriere rutschte er ab: Er versuchte sich als Radiomoderator, um irgendwie zu überleben - erfolglos.
Fashanu nahm sich am 2. Mai 1998 das Leben. Ihm war vorgeworfen worden, er habe in Maryland sexuelle Handlungen an einem Minderjährigen vollzogen. Darauf und auf Homosexualität selbst standen damals in dem US-Bundesstaat hohe Strafen. In seinem Abschiedsbrief stritt er alle Anschuldigungen ab. Die Untersuchungen wurden später auch aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Würde Fashanu heute noch leben, und wenn aus seiner Sexualität nie ein großes Ding gemacht worden wäre, wäre er vielleicht längst Trainer geworden. So wie seine prominenten Altersgenossen Jose Mourinho bei Tottenham Hotspur oder Joachim Löw, Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft.
Kein Coming-out im Profifußball
Es kam nicht so. 23 Jahre ist Justin Fashanu nun schon tot. Und in diesen zwei Jahrzehnten hat sich viel verbessert für LGBT+- Athletinnen und Athleten. Der britische Wasserspringer Tom Daley oder die US-Kickerin Megan Rapinoe - im Frauenfußball galten schon immer andere Regeln - jagen Rekorde und bauen gleichzeitig soziale Vorurteile gegenüber Homosexuellen ab. Aber noch immer gibt es keinen offen homosexuell lebenden Fußballspieler in einer der Top-4-Ligen in England. Auch in Deutschland hat sich kein aktiver Fußballprofi geoutet.
Die einzige Ausnahme bildet bislang Thomas Hitzlsperger- der ehemalige deutsche Nationalspieler und Profi des VfB Stuttgart hatte es aber vorgezogen, mit seinem Coming-out bis zum Karriereende 2014 zu warten. Er ist heute Vorstandsvorsitzender beim VfB Stuttgart.
Aber es kommt Bewegung in die Debatte. Das deutsche Magazin für Fußballkultur "11 Freunde" hat in seiner aktuellen Ausgabe 800 Spielerinnen und Spieler dazu bewegt, ein Statement abzugeben für eventuell verdeckt lebende homosexuelle Kolleginnen und Kollegen: "Ihr könnt auf uns zählen". Der ehemalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Philipp Lahm, riet gleichzeitig davon ab, sich während der Karriere zu outen. Das könne dem Spieler, auch für die Zeit nach der Karriere, schaden.
Solche Äußerungen zeigen, dass die toxische Maskulinität im Fußball aus den Zeiten von Fashanu noch immer existiert und schwule Profis zu einem Versteckspiel zwingt.
Rote Karte für Diffamierung
Die Sportwelt nähert sich den verschobenen Olympischen Sommerspielen in Tokio sowie der Fußball-WM in Katar 2022. Wir alle sollten eine bessere Sichtbarkeit von LGBT+-Sportlern fordern. Denjenigen, die die Nachfolger von Fashanu oder Hitzlsperger diffamieren, sollten wir die Rote Karte zeigen.
Es geht nicht darum, dass die Spieler mit einer Regenbogen-Flagge in der einen und ihrem Partner in der anderen Hand übers Fußballfeld laufen. Es geht darum, dass jeder und jede ein Leben in Würde führen kann. Ein Leben, bei dem es nicht darum geht, wie man die eine oder andere Viertelstunde im Schlafzimmer verbringst - sondern ausschließlich darum, was jemand in den 90 Minuten auf dem Fußballplatz macht. Denn: Was wir ja wohl am ehesten von unserer Gesellschaft erwarten können, ist, dass man eines akzeptiert: Dass im Schlafzimmer bleibt, was im Schlafzimmer passiert.
Aus dem Englischen von Friedel Taube.
Die Deutsche Welle berichtet zurückhaltend über das Thema Suizid, da es Hinweise darauf gibt, dass manche Formen der Berichterstattung zu Nachahmungsreaktionen führen können. Sollten Sie selbst Selbstmordgedanken hegen oder in einer emotionalen Notlage stecken, zögern Sie nicht, Hilfe zu suchen. Infos zu Hilfsangeboten in Ihrem Land gibt es auf der Internetseite www.befrienders.org. In Deutschland hilft Ihnen die Telefonseelsorge unter den kostenfreien Telefonnummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.