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Mein Vater, der Unbekannte aus Nordkorea

Esther Felden26. Juni 2015

"Verliebt, Verlobt, Verloren" – in dem Dokumentarfilm geht es um die Liebe zwischen DDR-Frauen und nordkoreanischen Männern, die zur Ausbildung ins Bruderland geschickt wurden. Eine Liebe auf Zeit. Und mit Folgen.

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Ein altes Familienbild der Familie Hong aus den 50er Jahren (Foto: Kundschafter Filmproduktion GmbH)
Bild: Kundschafter Filmproduktion GmbH

Die Augen der Protagonisten in Sung-Hyung Chos Film "Verliebt, Verlobt, Verloren" verraten, dass ihre Wurzeln nicht in Ostdeutschland liegen. Zumindest nicht nur. Die Menschen, um die es in der Dokumentation geht, sind in der DDR aufgewachsen, zusammen mit ihren Müttern. Aber ihre Väter stammen aus Nordkorea. Sie kamen während der 50er Jahre - teilweise noch zu Zeiten des Korea-Krieges - in das sozialistische Bruderland, um dort zur Universität zu gehen und zu lernen. Geschickt im Auftrag der nordkoreanische Regierung, um mit dem in der DDR erworbenen Wissen später mitzuhelfen, die kriegsgebeutelte Heimat aufzubauen.

Sie studierten, lebten, lernten gleichaltrige Frauen kennen. Und verliebten sich. Aus einigen dieser Beziehungen zwischen ostdeutschen Frauen und nordkoreanischen Männern sind Kinder hervorgegangen. Doch aufwachsen sehen konnten die Väter ihre Söhne und Töchter nicht lang: In den 1960er Jahren wurden sie zurück in die Heimat beordert, mussten ihre Familien für immer verlassen.

Zurück blieben zerplatzte Träume: Alleinerziehende Frauen und Kinder, die ohne Vater aufwuchsen. Längst sind aus diesen Kindern Erwachsene geworden, die Mütter sind alte Frauen. Wie hat sich ihr Leben nach der erzwungenen Trennung weiter entwickelt? Wie denken sie heute über die große Liebe von damals? Und wie ist es den Jungen und Mädchen ergangen, die von einem Tag auf den anderen zu Trennungskindern wurden, ohne den Grund verstehen zu können?

Um ihre Geschichten geht es in dem neuen Dokumentarfilm von Sung-Hyung Cho, der an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos Premiere feierte. Die in Südkorea geborene Regisseurin hat Mütter und Kinder getroffen und sich ihr Leben erzählen lassen. Wie viele derartige Schicksale es gibt, ist nicht bekannt. Sung-Hyong Cho selbst weiß von 18 Fällen, einer der Protagonisten kennt 25 weitere Kinder.

Regisseurin Sung-Hyung Cho (Foto: Hessische Filmförderung, Tim Wegener)
Regisseurin Sung-Hyung Cho stammt selbst gebürtig aus SüdkoreaBild: Hessische Filmförderung, Tim Wegener

Deutsche Welle: Wie ist die Idee zu diesem Film entstanden?

Renate Hongs Geschichte wurde in Südkorea sehr bekannt. 2006 war ihre Geschichte dort in aller Munde, nachdem ein südkoreanischer Historiker, der in Jena über die Beziehung von Nordkorea und der DDR geforscht hatte, durch einen Zufall Renate Hong kennen lernte. Sie erzählte ihm ihre Geschichte, und er verbreitete diese Geschichte im Internet.

Die Resonanz war überwältigend. Die Koreaner waren hin und weg von der traurigen, aber schönen Liebesgeschichte. Die meisten Koreaner, mich eingeschlossen, kennen ihre Geschichte. Außerdem war bei mir damals der Wunsch groß, den anderen Teil Deutschlands, Ostdeutschland, besser kennenzulernen. Und ich wollte auch mehr von Nordkorea wissen, und sei es nur indirekt.

Wie haben Sie Ihre Protagonisten gefunden?

Anfangs war es wirklich nicht einfach, die Betroffenen als Protagonisten zu gewinnen. Denn das Thema war für die meisten allzu schmerzlich, es war für sie kein abgeschlossenes Kapitel. Sie litten noch sehr, wenn sie an ihre Geschichten denken mussten. Viele wollten daher gar nicht daran erinnert werden, geschweige denn darüber sprechen. Zudem waren sie den Medien gegenüber sehr vorsichtig und misstrauisch. Aber da ich seit 2009 regelmäßig zu den Treffen der deutsch-koreanischen Familien ging, gewann ich langsam das Vertrauen. Einige Jahre später fragten sie sich dann wahrscheinlich, wann diese Koreanerin nun endlich den Film über sie dreht.

Gibt es auch Geschichten, in denen die Kinder ihre Väter kennenlernen konnten oder in denen die Liebe zwischen den Eltern die Trennung überdauert hat?

Die Familie Hong hat es geschafft, den Vater und Ehemann ausfindig zu machen. Und schließlich ist Renate Hong zusammen mit ihren Söhnen nach Nordkorea gereist und es gab ein richtiges Wiedersehen. Natürlich war das nach den vielen Jahren für alle Beteiligte seltsam und zugleich emotional und bewegend.

Uwe Hong, Renate Hong und Ina Grauer an einem Tisch vor Dokumenten (Foto: Kundschafter Filmproduktion GmbH)
Renate Hong ist es gelungen, ihren ehemaligen Partner in Nordkorea aufzuspürenBild: Kundschafter Filmproduktion GmbH

Welche Gefühle haben die heute erwachsenen Kinder für ihre nordkoreanischen Väter?

Wie überall ist das auch hier von Kind zu Kind unterschiedlich. Allen gemein ist, dass sie diese Sehnsucht haben, den Vater kennen zu lernen oder wenigstens irgendetwas aus dessen Leben zu erfahren. Da ist die große Neugier, wer dieser Mann ist, der ein Teil von ihnen ist, was er für ein Leben gelebt hat, ob er noch lebt. Doch die Spurensuche ist wahnsinnig schwierig.

Renate Hong und der Vater ihrer Kinder in Badesachen am Strand in Nordkorea (Foto: Kundschafter Filmproduktion GmbH)
Wiedersehen nach Jahrzehnten: Renate Hong zu Besuch in NordkoreaBild: Kundschafter Filmproduktion GmbH

Und wie erinnern sich die Frauen an Ihre ehemaligen Partner? Wie sprechen sie über sie?

Auch das ist natürlich ganz unterschiedlich. Die einen haben irgendwann beschlossen, einfach so zu tun, als sei der Mann gestorben und haben alle Gefühle und Erinnerungen weggesperrt. Andere haben versucht, die Erinnerung am Leben zu erhalten und einfach hinzunehmen, dass es ist wie es ist. Und wieder andere haben versucht, aktiv auf Spurensuche zu gehen.

Inwiefern spielt die koreanische Herkunft heute eine Rolle im Leben der Kinder?

Das sind die Wurzeln. Auch wenn es unbekannte Väter sind, die diese Wurzeln gelegt haben, sind es doch die Wurzeln. Das wird man nicht los, und es ist mal mehr, mal weniger präsent im eigenen Leben. Und durch ihr Äußeres ist der Vater ja immer präsent.

Filmplakat "Verliebt, Verlobt, Verloren"
Der Film läuft seit dieser Woche in deutschen Kinos

Haben Sie auch versucht, Väter ausfindig zu machen und zu kontaktieren?

Das haben vor allem die Kinder versucht. Hierfür gibt es sogar Vereine wie den Verein Deutsch-Koreanischer Familien.

Gibt es eine Geschichte, die Sie persönlich besonders berührt hat? Wenn ja welche?

Jede einzelne Geschichte ist auf ihre Art wahnsinnig berührend. Da kann ich keine herauspicken. Die Geschichte von Familie Hong war die erste Geschichte, die ich gehört hatte. Aber es folgten noch so viele - jede einzelne berührend und bewegend.

Die in Südkorea geborene Regisseurin Sung-Hyung Cho gewann für ihren ersten Langfilm FULL METAL VILLAGE 2006 den Hessischen Filmpreis, den Schleswig-Holstein Filmpreis sowie 2007 den Max-Ophüls-Preis, Gilde-Filmpreis und den DEFA-Nachwuchspreis. 2009 feierte ihr zweiter Film ENDSTATION DER SEHNSÜCHTE seine Premiere auf der Berlinale. Ihr dritter Film 11 FREUNDINNEN über die Fußballnationalmannschaft der Frauen während der Weltmeisterschaft 2011 hatte auf Internationalen Filmtagen in Hof die Uraufführung.