Schluss mit der Glorifizierung von Faschisten!
15. Mai 2018Hitlergrüße, Hakenkreuztätowierungen und faschistische Symbole der mit den Nazis verbündeten Ustascha. Dazu der Gruß "Za dom Spremni" (Für die Heimat bereit), das kroatische Pendant zu "Sieg Heil" - all das gab es am vergangenen Samstag, als 10.000 Menschen den Nazikollaborateuren der Ustascha im Kärntner Bleiburg gedachten. Es geht um den Mai 1945, als die mit den Nazis verbündete kroatische Ustascha-Armee aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Kärnten in die britische Besatzungszone flüchtete. Doch die Kollaborateure wurden damals den jugoslawischen Partisanen ausgeliefert, woraufhin rund 45.000 Menschen von Titos Partisanen getötet wurden.
Während die Teilnehmer von einer "Gedenkveranstaltung" sprechen, nennen es die Kritiker das "größte Faschistentreffen Europas". Organisiert wird das Ganze von der kroatischen Bischofskonferenz, geduldet von der österreichischen Diözöse Gurk. Hochrangige kroatische Regierungsmitglieder sind vor Ort. Offiziell handelt es sich um eine kirchliche Veranstaltung.
Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz reagiert genauso, wie wenn er kritisch auf seine Koalition mit der rechtsextremen FPÖ angesprochen wird: Er versucht das Thema zu meiden oder gibt nichtssagende Antworten. Die Bigotterie zeigt sich darin, dass zuletzt gegen politische Versammlungen von türkischen Nationalisten und Rechtsextremen in Österreich energisch durchgegriffen wurde. Wenn aber 10.000 vornehmlich kroatische Katholiken eine große Faschistenparty feiern, dann könne man eben nichts machen.
Der Europarat ist alarmiert
Der Europarat äußerte sich nach der neuerlichen Ustascha-Orgie in Bleiburg alarmiert über die Normalisierung des Neofaschismus in Kroatien. Verstärkt werde dieser Trend durch eine "Verherrlichung" des faschistischen Ustascha-Regimes, heißt es in einem veröffentlichten Bericht der Anti-Rassismus-Kommission des Europarats (ECRI) zur Lage in Kroatien. Die Verfasser des Berichts forderten die Regierung in Zagreb auf, energischer gegen Hasstiraden sowie rassistisch motivierte Angriffe auf Minderheiten vorzugehen.
Ob die Regierungspartei HDZ sich den Bericht zu Herzen nimmt, ist fragwürdig. Viel zu oft fällt sie selbst damit auf, Hass gegen in Minderheiten in Kroatien, insbesondere Serben und Roma, zu schüren. Jene Gruppen also, die schon unter dem von Hitler geschaffenen "Unabhängigen Staat Kroatien" systematisch vernichtet wurden.
Die jüdischen Gemeinden in Kroatien boykottieren seit Jahren die staatliche Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Vernichtungslagers Jasenovac. Sie wollen nicht gemeinsam mit Politikern gedenken, die sich positiv auf die Judenmörder des Ustascha-Regimes beziehen.
Können Sie sich vorstellen, dass Angela Merkel nach Argentinien reist und dort vor der deutschen Minderheit erzählt, es sei gut, dass Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg Zuflucht in dem Land gefunden haben? Massenmörder wie Adolf Eichmann und Josef Mengele? Wohl eher nicht.
Die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović hat so etwas getan. Sie pries bei einem Besuch in Argentinien diejenigen Kroaten, die es nach dem Zweiten Weltkrieg schafften, vor Titos Partisanen nach Argentinien zu flüchten. Dass es sich dabei um KZ-Kommandanten, Massenmörder und Nazikollaborateure handelte, ließ sie unerwähnt.
Kroatien ist kein Einzelfall
Der Schriftsteller Danilo Kiš schrieb über den Nationalismus, dieser sei eine "Paranoia", eine Wahnvorstellung bei gleichzeitigen Verlust der Individualität und des Realitätssinns. Diese Paranoia basiert auf der Idee, dass die eigene Nation etwas Reines und unschuldiges sei und jeder, der sich Kritik erlaube, ein Feind mit niederen Motiven sei. Deswegen müssten im Geschichtsbild kroatischer Rechter die Ustascha die Guten sein, denn einzugestehen, dass sie Hunderttausende unschuldige Menschen ermordet haben, würde für sie das Bild der eigenen Nation beschmutzen. Deshalb fühlen sich die Teilnehmer in Bleiburg auch als Opfer, obwohl sie es sind, die ein faschistisches Regime glorifizieren.
Das ist eine Entwicklung, die sich auch in anderen Ländern Osteuropas vollzieht: Ein Geschichtsbild, das auf die eigene Opferrolle unter sowjetischer Besatzung oder kommunistischer Herrschaft fokussiert ist. Gleichzeitig wird die eigene Kollaboration mit den Nationalsozialisten verharmlost, geleugnet oder im schlimmsten Fall sogar glorifiziert.
In Riga laufen jedes Jahr am 16. März Tausende Menschen auf, um beim "Marsch der Legionäre" Angehörigen der Waffen-SS zu gedenken. Viktor Orbán würdigte den Nazikollaborateur Miklós Horthy als "Ausnahmestaatsmann", obwohl dieser für die Deportation von 600.000 Juden in deutsche Vernichtungslager mitverantwortlich ist. In Serbien wird verhandelt, ob der Nazi-Kollaborateur Milan Nedić juristisch rehabilitiert werden soll.
Wenn die EU weiter zusammenwachsen soll, dann braucht sie nicht nur eine stärkere europäische Öffentlichkeit, sondern auch eine gemeinsame Erinnerungskultur. Und die muss antifaschistisch sein. Wenn man sich aber nicht einmal drauf einigen kann, dass die Nazis die Bösen waren und die Kollaborateure von manchen Staats- und Regierungschefs offen glorifiziert werden, dann wird Europa daran scheitern.
Krsto Lazarevic ist in Bosnien-Herzegowina geboren und floh als Kind mit seiner Familie nach Deutschland. Heute lebt er in Berlin, arbeitet als Journalist und Publizist und schreibt für verschiedene deutschsprachige Medien.