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Politik

Mein Europa: Holocaust-Gedenken und Mahnung

Romani Rose
31. Juli 2020

Sonntag ist Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Aber erinnern allein reicht nicht, meint Romani Rose vom Zentralrat der Sinti und Roma. Rassismus und Nationalismus müssen entschieden bekämpft werden.

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Romani Rose Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma
Bild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Am 2. August 1944 wurden die letzten noch im sogenannten "Zigeunerlager" lebenden 4300 Sinti und Roma in den Gaskammern des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ermordet. Dieser Tag ist Symbol für den Holocaust der Nazis an über 500.000 Sinti und Roma im besetzten Europa.

Wir gedenken dieser Opfer. Wir gedenken aller Opfer des Völkermords an den Sinti und Roma, und wir gedenken aller Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Tag ist für Sinti und Roma in ganz Europa von großer Bedeutung. Das Gedenken an die Opfer des NS-Völkermords ist fester Teil unserer Identität geworden.

Das Europäische Parlament hatte den 2. August vor fünf Jahren zum Europäischen Gedenktag erklärt und die EU-Mitgliedsstaaten sind nach wie vor aufgefordert, den 2. August in ihren Ländern zum Gedenktag an den Holocaust an Sinti und Roma zu erklären. Die Republik Polen hat als erster Staat in Europa den 2. August als Gedenktag anerkannt.

Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus werden gewalttätiger

Europa steht angesichts eines in vielen Ländern etablierten rassistischen Nationalismus vor großen Herausforderungen. Das Bewusstsein für unsere Demokratie, für den Rechtsstaat und für unsere europäischen Werte ist nicht mehr länger Garant für den Bestand unserer Demokratie, wenn nationalistische Parteien und Regierungen in vielen europäischen Ländern in genau diesem rassistischen Nationalismus bestätigt werden.

Berlin: Denkmal für ermordete Sinti und Roma picture-alliance/dpa/J. Raible)
Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas nahe dem Reichstag in BerlinBild: picture-alliance/dpa/J. Raible

Wir erleben seit langem, wie sich der Hass gegen Sinti und Roma, gegen Juden und andere Minderheiten immer mehr verbreitet. Die Anschläge in Halle im Oktober des vergangenen Jahres oder in Hanau im Februar 2020 sind nur die jüngsten Beispiele in Deutschland für einen immer gewalttätiger werdenden Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus.

Spaltung der Gesellschaft bedroht Roma

Sinti und Roma sind seit über 700 Jahren in den Ländern Europas ansässig, wir sind Staatsbürger in unseren Heimatländern. Es waren die Nazis, die uns zuerst erfasst und ausgegrenzt, die uns die Staatsbürgerschaft aberkannt, uns dann deportiert haben und uns schließlich vollständig ermorden wollten. Der Rassismus der Nazis mit seinem Kern eines extremen und radikalen Antisemitismus und Antiziganismus war das eigentliche Wesen des Dritten Reichs und dies kennzeichnet den Holocaust: ein Verbrechen an der Menschheit, ein in der Geschichte einmaliger Zivilisationsbruch.

Das 20. Jahrhundert war geprägt von zwei Weltkriegen und von zahlreichen Kriegen in nahezu allen Teilen der Welt. Jetzt, im 21. Jahrhundert, sind wir mit einer Situation konfrontiert, in der nicht nur die Demokratien sich gleichsam selbst aufgeben, in der rechtsstaatliche Prinzipien systematisch abgebaut werden und in der vor allen Dingen die unterschiedlichen Lager innerhalb unserer Gesellschaft kaum noch miteinander sprechen können oder wollen.

Denkmal: Pflasterstein mit dem Wort Auschwitz
"Das Gewissen der Wertegemeinschaft": Pflasterstein am Denkmal für die ermordeten Sinti und RomaBild: Imago/photothek/T. Trutschel

Dies zusammengenommen ist eine unhaltbare Situation, die wir nur durch eine gemeinsame Anstrengung überwinden können. Für Roma in Europa bedeutet diese Spaltung in vielen Gesellschaften der Staaten Europas eine besondere Gefahr. Gesellschaftliche Spannungen wurden und werden immer wieder auf Minderheiten abgeleitet und derzeit besteht wieder die Gefahr von Vertreibungen und von Pogromen an Roma.

Europas Regierungen müssen Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus ächten

Auschwitz ist das Gewissen der Wertegemeinschaft demokratischer Staaten. Wir alle dürfen nicht länger schweigen und verharmlosen, wir dürfen nicht wegschauen, wenn Rassismus sich kundtut, wenn Nationalismus sich gegen Europa, gegen unsere gemeinsamen demokratischen Werte richtet, wenn Nationalisten und rechte Organisationen unsere Demokratie und den Rechtsstaat beseitigen wollen. Jetzt sind die Regierungen Europas aufgefordert, endlich eindeutig und nachhaltig Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus zu ächten. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begrüßt deshalb ausdrücklich die von der Bundesregierung berufene Unabhängige Kommission Antiziganismus, deren Aufgabe es ist, den Antiziganismus in Deutschland zu analysieren und Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung des Antiziganismus zu entwickeln.

Das ist die Verpflichtung, die uns auferlegt ist von den in Auschwitz-Birkenau und in den anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern oder von den Einsatzgruppen der SS ermordeten Menschen. Ihr müssen wir uns gemeinsam in Europa stellen.

Romani Rose ist seit 1982 Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.