Mein Europa: Der Balkan und die WM
29. Juni 2018Fußball kann gefährliche nationalistische Gefühle auslösen. Nach einem Qualifikationsspiel zwischen Honduras und El Salvador im Jahr 1969 brach der sogenannte Fußballkrieg zwischen beiden Ländern aus, der über 2000 Tote forderte.
Für manche Spieler, Trainer und Fans vom Balkan scheint die WM in Russland eine Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln zu sein. So formten Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri mit ihren Händen einen albanischen Doppeladler, um ihre Tore als Schweizer Nationalspieler zu feiern und die Serben zu demütigen.
Xhaka wurde in der Schweiz geboren, seine Eltern kommen aus dem Kosovo. Shaqiri wurde im Kosovo geboren und zog mit seinen Eltern in die Schweiz, als er vier Jahre alt war. Beide kommen nicht aus Albanien, ihre Eltern kommen nicht aus Albanien, sie spielen nicht für Albanien und doch feiern sie ihre Tore gegen Serbien, indem sie ein albanisches Nationalsymbol mit ihren Händen formen.
Wenn das Herz für die Heimat in der Fremde überschäumt
Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Diaspora ein sehr spezielles Verhältnis zur "Heimat" hat. Eine Nation, mit der man in Wirklichkeit nicht viel zu tun hat, wird zu einem mythischen Ort stilisiert. Die "Heimat" ist ein Ort, den man nur aus den Sommerferien kennt und den man sich schönreden kann, solange die Eltern oder man selbst sein Gehalt in Euro oder Schweizer Franken ausgezahlt bekommt.
Nun muss man Xhaka und Shaquiri zugutehalten, dass die serbischen Fans im Stadion sie aufgrund ihrer Herkunft beschimpften, und das Formen eines Doppeladlers mit der Hand noch eine sehr diplomatische Antwort darauf war. Zudem ist es absurd, dass sich die Serben von einem Doppeladler provoziert fühlen, wo doch auf ihrer Flagge auch einer ist. Aber das ist eben Nationalistenlogik. Muss man nicht verstehen.
Schlimmer war dann schon der serbische Trainer Mladen Krstajic, der wohl schlechteste Verlierer dieser WM. Er gab dem deutschen Schiedsrichter Felix Brych die Schuld an Serbiens Niederlage und sagte: "Ich würde ihn nach Den Haag schicken, damit sie ihm den Prozess machen, so wie sie ihn uns gemacht haben." Mit dem kleinen Wörtchen "uns" solidarisiert sich Krstajic mit verurteilten Kriegsverbrechern und behauptet, alle Serben hätten kollektiv beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auf der Anklagebank gesessen. Auch das ist Nationalistenlogik. Aber viele Serben stimmten Krstajics Aussage leider zu. Wahrscheinlich auch diejenigen Fans, die im Stadion von Kaliningrad T-Shirts mit dem Konterfei des verurteilten Völkermörders Ratko Mladic trugen, der allein in Srebrenica für die Ermordung von 8000 Menschen verantwortlich ist.
"Za dom Spremni"
Auch die kroatische Nationalmannschaft ließ es sich nicht nehmen, Kriegsverbrecher zu glorifizieren. Könnten Sie sich vorstellen, dass die deutschen Spieler nach einem Sieg in der Kabine rechtsextreme Lieder singen, welche die Opfer der deutschen Vernichtungslager verhöhnen? Wahrscheinlich eher nicht. Für die kroatischen Spieler ist das normal. Sie feierten ihren Sieg über Argentinien, indem sie ein Lied anstimmten, das mit den Worten "Za dom Spremni" beginnt. "Für die Heimat bereit" - der Gruß der kroatischen Nazi-Kollaborateure der Ustascha. Das Lied stammt vom rechtsextremen Musiker Marko Perkovic alias Thompson, der in seinen Liedern die Opfer der Konzentrationslager Jasenovac und Stara Gradiska verhöhnt. Das sind Lager, in denen Juden, Serben, Roma und Oppositionelle systematisch vernichtet wurden.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Faschistengruß für Skandale bei der kroatischen Nationalelf sorgt. Als sich Kroatien für die WM in Brasilien qualifizierte, schrie Josip Simunic den Fans ein lautes "Za dom" entgegen, woraufhin tausende Kehlen antworteten "Spremni". Simunic wurde daraufhin für die WM in Brasilien gesperrt. Das hat jedoch nichts daran geändert, dass der Faschismus bei kroatischen Fußballfans bis heute salonfähig ist. Das ist schade, denn sportlich zeigt die kroatische Mannschaft in diesen Tagen hervorragende Leistungen und eigentlich möchte man ihnen einen Erfolg bei der WM gönnen.
Mir stellt sich die Frage: Liebe Brüder vom Balkan, sind wir wirklich so nationalistisch und erbärmlich? Und warum müssen wir das ständig der ganzen Welt zeigen?
Krsto Lazarevic ist in Bosnien-Herzegowina geboren und floh als Kind mit seiner Familie nach Deutschland. Heute lebt er in Berlin, arbeitet als Journalist und Publizist und schreibt für verschiedene deutschsprachige Medien.