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Mein Deutschland: Zur Fitness bekehrt

Zhang Danhong15. Januar 2016

Jedes neue Jahr beginnt mit guten Vorsätzen. Unsere Kolumnistin Zhang Danhong hat sich fest vorgenommen, mehr Fitness zu treiben. Damit ist sie seit neuestem Mitglied einer Glaubensgemeinschaft geworden.

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Symbolbild Fitnessstudio
Bild: Colourbox

In Kniebeuge gehen, Hände aufstützen, Beine mit Sprung nach hinten bringen, von der Liegestützposition mit Sprung in die Hocke und mit ausgestreckten Armen nach oben springen - das ist "Burpee". Hinter dem niedlichen Namen verbirgt sich eine der härtesten Übungen in der Fitness-Welt. Durch die Kombination von Kniebeuge, Liegestütze und Hocksprung werden alle wichtigen Muskeln gefordert und Ausdauer trainiert.

Jeden Samstagvormittag fiebere ich dem Burpee entgegen - dem Höhepunkt des einstündigen BodyFit-Kurses. Trainerin Andrea erwartet von uns, 20 Sekunden lang zu beugen, zu strecken und zu springen. Dann folgt eine Pause von zehn Sekunden. Insgesamt werden acht Burpee-Einheiten von vier Minuten absolviert. Nach der vierten Runde fange ich an zu hecheln; nach der fünften wird mir ein wenig schwindlig; nach der sechsten würde ich am liebsten am Boden liegenbleiben. Doch dann brüllt Andrea: "Noch die letzten zwei Runden. Ihr schafft das. Atmen und lächeln nicht vergessen!"

Kann man das Wochenende schöner einleiten als mit dem guten Gefühl, eine große Herausforderung gemeistert und dabei auch noch jede Menge Kalorien vernichtet zu haben?

Der Glaube versetzt Berge

Das Ganze fing an, als mir meine liebe Nachbarin Inka anbot, mich samstags zum Fitness mitzunehmen. Sie ist seit Jahren Mitglied und darf einen Gast mitbringen. Der Club spekuliert darauf, dass sich der Gast irgendwann sein Leben ohne Fitness auch nicht mehr vorstellen kann und ebenfalls zahlendes Mitglied wird. In meinem Fall war es ein Volltreffer. So bin ich als bekennende Atheistin doch noch zu einem Glauben gekommen: dem Glauben daran, dass das regelmäßige Training das biologische Alter vergessen machen kann. So wurde mir bereits beim ersten Fitness-Check attestiert, dass ich fitnessmäßig sieben Jahre unter meinem tatsächlichen Alter liege.

Das hängt natürlich damit zusammen, dass ich schon immer viel Sport getrieben habe. Aber irgendwann reicht Joggen allein nicht mehr aus, der Körper schreit nach mehr. Und irgendwann fragen Dich Deine Freunde, in welchem Studio Du Fitness machst. Es ist also nicht mehr die Frage, ob man seinen Körper in Gruppe und unter Anleitung trainiert, sondern wo.

Andrea Wetzel-Molnar Trainerin bei FitnessFirst
Trainerin Andrea Wetzel-MolnárBild: FitnessFirst

"Den Menschen wird immer mehr bewusst, dass Gesundheit ein hohes Gut ist. Wir brauchen nicht nur eine ausgewogene Ernährung, sondern auch Sport und Bewegung. Deswegen kommen immer mehr Menschen zu uns", sagt Trainerin und Motivatorin Andrea Wetzel-Molnár. Die ehemalige Musical-Darstellerin aus Ungarn hat vor Jahren das Fitness-Studio als ihre neue Bühne entdeckt und genießt es, Menschen mit ihrer positiven Energie anzustecken. Sie warnt aber auch vor Übertreibungen, das könne ganz schnell eine Sucht sein: "Wenn ein Hobbysportler sagt, er lebe nur noch für den Sport, dann ist das definitiv zu viel."

Immer fitter, immer weiser

Bei der Vielfalt der angebotenen Kurse fällt es allerdings schwer, sich zurückhalten. deepWORK®, Fit & Vital, Mobilizer, Yoga, Zumba®, Pilates oder Bauch Spezial - bei dem einen geht es mehr um die Regeneration, beim anderen um schlichte Fettverbrennung. Wenn man wie neu geboren das Fitness-Center verlässt, bekommt man an der Tafel am Ausgang noch gratis einen schlauen Spruch mit auf den Nachhauseweg. So habe ich vom ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer gelernt, dass Fallen weder gefährlich noch eine Schande sei, liegenbleiben aber beides. Gefallen hat mir auch das Zitat vom Physiknobelpreisträger Max Planck: "Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts." Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auch die Gedanken von Konfuzius unter dem Fitness-Volk verbreiten.

Zhang Danhong Kommentarbild App
DW-Redakteurin Zhang Danhong

Dabei hat die chinesische Philosophie längst Einzug in die Fitness-Welt gehalten. So sei das Athletiktraining deepWORK® ganz auf dem Prinzip von Yin und Yang aufgebaut, erklärt Andrea: "Dazu gehören natürlich die fünf Elemente." Erde steht fürs Aufwärmen, Ankommen, Holz fürs Ausdehnen, Feuer und Metall kommen als athletische Elemente hinzu. Und zum Schluss die beruhigende Energie - das Wasser.

Fitnesstrend auch in China nicht zu bremsen

Im Gegenzug erhält China Filialen westlicher Fitness-Unternehmen im ganzen Land. Während ältere Menschen immer noch Taiji und Tänze in öffentlichen Parks bevorzugen, strömen junge Chinesen nach Feierabend in Mucki-Buden und kosten im Schweiße ihres Angesichts den westlichen Lifestyle. Heutzutage kämen die lästigen Werbeanrufe nicht mehr von Banken und Immobilienfirmen, sondern von Fitness-Studios, berichtete mir neulich ein Chinese.

Die neue Glaubensgemeinschaft um einen leistungsstarken Körper erfreut sich also einer weltweiten Anhängerschar. Hier in Deutschland können wir es zahlenmäßig vielleicht noch nicht mit den Katholiken oder Protestanten aufnehmen, aber dafür leben wir unseren Glauben intensiver und hingebungsvoller aus. So war unser Fitness-Studio bereits am ersten Weihnachtstag wieder voll. Plätzchenverbrennung war angesagt. Nach ihren guten Vorsätzen im neuen Jahr gefragt sagen die meisten: "Noch mehr Fitness." Eine hat sich Marathon zum Ziel gesetzt.

Mein persönliches Ziel verrate ich Ihnen hier: Ich will antizyklisch leben und mindestens ein Jahr jünger werden - Fitnessalter, versteht sich.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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