Noch nicht genug Frauen in Firmenvorständen
27. Oktober 2021Unternehmen geht es eigentlich in erster Linie um den Profit. Und der steigt meist, wenn mehr Führungspositionen mit Frauen besetzt sind. Studien dazu gibt es genug. Erst 2020 zeigte die Unternehmensberatung McKinsey, dass Unternehmen mit hoher Gender-Diversität eine um 25 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Und trotzdem werden deutsche Unternehmen immer noch hauptsächlich von Männern geführt.
Immerhin gab es in diesem Jahr einen Fortschritt. Nach einem soeben vorgestellten Bericht der AllBright Stiftung waren am 1. September 2021 die Vorstände der 160 deutschen Börsenunternehmen in DAX, MDAX und SDAX mit 603 Männern und 93 Frauen besetzt. Das sind 25 Frauen mehr als im Vorjahr und es ist der bislang größte Zuwachs an Frauen in den Vorständen innerhalb eines Jahres. Was sich erst einmal gut anhört, reicht trotzdem bei weitem nicht. Mehr als die Hälfte aller an der Börse notierten Unternehmen haben immer noch keine Frau in der obersten Führungsebene.
"Mich schmerzt die Verschwendung von Ressourcen, wenn die gut ausgebildeten Frauen unsere Wirtschaft und Gesellschaft nicht ebenso mitgestalten wie Männer," sagt Sven Hagströmer, Stifter der AllBright Stiftung. "Und es ist etwas, das wir uns auch mit Blick auf Fachkräftemangel und alternde Bevölkerung nicht leisten können."
Setzt man das durchschnittliche Veränderungstempo der letzten fünf Jahr an, würde es noch 26 Jahre dauern, bis in den Vorständen der 160 Unternehmen ebenso viele Frauen wie Männer arbeiten. Mit dem aktuellen Tempo seit September 2020 könnte ein Frauenanteil von 50 Prozent in den Vorständen schon in 11 Jahren erreicht sein.
Thomas-Kreislauf ist ungebrochen
"Wir beobachten also eine positive Entwicklung, aber, um es klar zu sagen, sie reicht bei weitem nicht", heißt es von Wiebke Ankersen und Chrstian Berg, den beiden Geschäftsführern der AllBright-Stiftung. Und schmerzfrei sei der Weg zu mehr Frauen in Führungspositionen auch nicht, denn "mehr Frauen bedeutet weniger Männer an der Spitze der Unternehmen". Dafür brauche es weniger Bequemlichkeit und mehr Mut.
Häufig werden Stellen immer noch so nachbesetzt, dass sich Vorstandsmitglieder in Bezug auf ihr Alter, Geschlecht, Herkunft und Ausbildung sehr ähnlich sind. Das Ergebnis: Überwiegend männliche, westdeutsche Wirtschaftswissenschaftler Mitte Fünfzig schaffen es nach oben in den 160 deutschen börsennotierten Unternehmen. Und so ist auch im September 2021 Thomas der häufigste Name in den Vorständen der untersuchten Unternehmen.
Dabei bleiben übrigens nicht nur Frauen, sondern auch Menschen mit einer Ausbildung in Ostdeutschland auf der Strecke. So wurden nur zwei Prozent der Vorstandsmitglieder in Ostdeutschland ausgebildet, im Vorjahr war es ein Prozent.
International kein Vorbild
In anderen Ländern scheint es mehr Courage zu geben. Vor allem die USA sind vorbildlich, wenn es um Gleichberechtigung im Management geht. Betrachtet man 30 führende Unternehmen in den jeweils wichtigsten Börsenindizes, dann gibt es auch in Großbritannien, Schweden und Frankreich mehr Frauen in leitenden Positionen als in Deutschland. In diesen vier Ländern sind Vorstände mit mindestens zwei Frauen längst die Norm. So haben 97 Prozent der US-amerikanischen und 83 Prozent der französischen Großunternehmen mehrere Frauen im Vorstand. In Deutschland sind es nur 23 Prozent der 30 größten Börsenunternehmen.
Während es in den USA unter den 30 größten Unternehmen im Dow Jones keines mehr gibt, dass keine Frau im Vorstand hat, gibt es in Deutschland noch vier Unternehmen, in denen der Vorstand rein männlich besetzt ist. Nur die Deutsche Telekom und Daimler, also zwei der 30 größten Unternehmen in Deutschland, haben einen Frauenanteil im Vorstand von 38 Prozent. Damit sind sie zumindest nah dran an einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis. Das ist erreicht, wenn der Anteil der unterrepräsentierten Gruppe mindestens 40 Prozent beträgt.
Weitet man den Blick auf alle 160 börsennotierten Unternehmen, so haben ganze fünf einen Frauenanteil im Vorstand von mindestens 40 Prozent (Bilfinger, Dermapharm, Hornbach Holding, LPKF Laser & Electronics und Pfeiffer Vacuum). Auf der anderen Seite haben elf Unternehmen keine Frau im Vorstand und keine im Aufsichtsrat.
Vom Gesetz zu Gender-Diversität verpflichtet
Dabei hatten sich deutsche Unternehmen schon vor 20 Jahren selbst verpflichtet, einen höheren Frauenanteil in Führungspositionen anzustreben. Später legte die Bundesregierung nach und führte 2016 eine Frauenquote für Aufsichtsräte von großen börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen ein. Ab einer bestimmten Größe (in der Regel ab 2000 Beschäftigten) sollen 30 Prozent der Aufsichtsratsplätze mit Frauen besetzt werden.
Seit August 2021 gilt zudem eine Frauenquote für weitere Managementpositionen. In Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss nun mindestens eine Frau sitzen. Für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes gibt es noch strengere Regeln.
Außerdem sind börsennotierte Unternehmen gesetzlich verpflichtet, feste Zielgrößen für die Steigerung des Frauenanteils in ihren Vorständen zu veröffentlichen. Sie können aber auch die "Zielgröße Null" angeben, sprich null Frauen im Vorstand anstreben.
Immerhin 37 Unternehmen geben derzeit dieses Ziel an - im Vorjahr waren es 55. Ausgerechnet zwei ehemalige Startups, nämlich Delivery Hero und HelloFresh, sind die einzigen DAX40-Unternehmen, die im September 2021 noch ohne Frauen im Vorstand planen.