Mehr deutsche Soldaten in Afghanistan
24. Oktober 2003Trotz Entscheidung im deutschen Parlament sind nicht alle Fragen der Skeptiker des Kundus-Einsatzes beantwortet. So hat der außenpolitische Sprecher der CDU, Friedbert Pflüger - wie andere Abgeordnete auch - Bauchschmerzen mit der Erweiterung des Einsatzgebietes auf ganz Afghanistan während der im Sommer 2004 geplanten Wahlen. Das sei "quasi ein Freibrief für weitere Aktionen" im ganzen Land, kritisierte Pflüger.
Verteidigungsminister Peter Struck kann die Einwände zwar nicht nachvollziehen. Trotzdem kam er den Zweiflern am erweiterten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit einem Zusatzprotokoll entgegen. Darin werde klargestellt, so das Verteidigungsministerium, dass die Bundeswehr in Kundus nicht zur Drogenbekämpfung eingesetzt wird und dass militärische Einsätze außerhalb der Region Kundus und der Hauptstadt Kabul die Ausnahme bleiben sollen. Solche Einsätze dienten lediglich zur Unterstützung der Wahlen im nächsten Jahr und müssten jeweils durch Struck gebilligt werden.
"Armutszeugnis"
Die Skeptiker in der Union mag das zufriedenstellen - die Hilfsorganisationen bleiben bei ihren Warnungen vor dem Einsatz der zivil-militärischen Wiederaufbauteams. Besonders hart geht der Sprecher der Hilfsorganisation "Cap Anamur", Elias Bierdel, mit der deutschen Afghanistan-Politik ins Gericht. Er kritisiert, dass die Stationierung der Bundeswehr in einer der sichersten Regionen des Landes den Afghanen nur wenig bringt: "Es ist schon ein Armutszeugnis, wenn eine reiche westliche Armee dort aufläuft und im Interesse der eigenen Sicherheit sich dort einbunkert, sei es in Kabul oder sei es in Kundus."
Edith Wallmeier von Care Deutschland sieht das ähnlich: "Der Kundus-Einsatz reicht nicht aus, um die Sicherheitslage zu verbessern." Ihre Organisation arbeitet im Süden des Landes. Dort sei die Lage für die 600 Mitarbeiter weitaus gefährlicher als im Norden. Wegen der angespannten Sicherheitslage mussten Care-Projekte in der Infrastruktur und der Schulausbildung bereits eingestellt werden. Dort im Süden sollten die Truppen stationiert werden, nicht im friedlichen Kundus, fordert Wallmeier.
Die rot-grüne Regierung hatte Anfang September entschieden, bis zu 450 Bundeswehrsoldaten zum Schutz des Wiederaufbaus in die Region Kundus zu schicken. Nachdem der UNO-Sicherheitsrat Mitte Oktober das Mandat der NATO-geführten Afghanistan-Truppe über die Hauptstadt Kabul hinaus erweitert hatte, gab nun der Bundestag grünes Licht.
Drogenbarone und Warlords
Kundus liegt rund 250 Kilometer nördlich von Kabul und ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Nordosten Afghanistans. In der Stadt nahe der tadschikischen Grenze leben rund 120.000 Menschen. Sie ist das Zentrum von vier Provinzen im Nordosten Afghanistans, eine Region, die als eine der sichersten des Landes gilt. In der Region leben mehr als drei Millionen Menschen. Die Provinz Badakshan zählt zu den bedeutendsten Produzenten von Rohopium in Afghanistan. Die Stadt Kundus, der Einsatzort der deutschen Soldaten, gilt als wichtige Etappe der Transitstrecke, auf der die Drogen außer Landes gebracht werden. (tko)