Germany für Inder
6. Oktober 2015Inder sind fasziniert davon, wie sich Deutschland nach den Weltkriegen entwickelt und die hässliche Vergangenheit hinter sich gelassen hat, wie es ein glückliches und modernes Land wurde. Ich denke, das ist etwas, wovon Inder lernen können, angesichts der Zunahme des religiösen Fundamentalismus vieler Hindus in Indien.
Bei Indern sind jene Länder am beliebtesten, in denen es viele indische Auswanderer gibt, in Indien selber leben allerdings nur vergleichsweise wenige Deutsche. Doch immer mehr Inder studieren in Deutschland, hauptsächlich Naturwissenschaften und technische Fächer. Großzügige Stipendien haben dabei geholfen - so gibt es sogar eine kleine Gemeinde von Indern, die deutsche Literatur studieren.
Diese Studenten bringen Geschichten über den Alltag in Deutschland mit. Als erstes erzählen sie, dass man sich das Leben in Deutschland besser leisten kann als in anderen Ländern Europas. Sie berichten von einer breiten Mittelklasse, die mit bezahlbaren Mieten lebt und sehr zufrieden ist.
Berlin besonders beliebt
Berlin ist die beliebteste europäische Stadt unter indischen Künstlern. Die deutsche Hauptstadt gilt nicht nur als Europas Metropole für Kunst und Kultur, sie wird auch für ihre alternative künstlerische Szene gefeiert.
Bollywood-Star Shah Rukh Khans Film "DON 2: The Return of the King" machte Berlin in Indien populär. Die deutsche Botschaft in Neu Delhi nutzte erst jüngst einen Bollywood-Song für eine PR-Kampagne. Der frühere Botschafter, Michael Steiner, produzierte ein YouTube-Video, das ihn und seine Frau zeigt, wie sie zu einem Bollywood-Song tanzen. Der Titel: "Kal Ho Na Ho" ("Es gibt vielleicht kein Morgen"). Der Clip zeigt einen indischen Politiker, der die Frau von Steiner umwirbt, aber der Botschafter kann sie zurückgewinnen. Das Video verbeitete sich rasend schnell und mehrere Fernsehsender berichteten darüber. Steiner erzählte mir, seine Absicht sei gewesen, kulturelle Stereotype zu brechen.
Dank der steigenden Anzahl von Indern, die nach Europa reisen, kennen wir das Oktoberfest. Diese Zeit nutzen viele Restaurants in Indien, um Bier im Land bekannt zu machen.
Autos und Abgasaffäre
Fußball gewinnt immer mehr Anhänger unter urbanen jungen Indern, die die Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verfolgen. Deutschlands Top-Fußballclub Bayern München hat eine wachsende, wenn auch immer noch kleine Fangemeinde.
Natürlich schlägt nichts die Liebe für deutsche Autos. Audi, BMW, Mercedes und Volkswagen sind Objekte der Begierde, Statussymbole. Sie sind der Grund, warum zu Deutschlands Image erstklassige Ingenieurskunst und Design gehören.
Die meisten Inder haben wenig Interesse an Nachrichten aus dem Ausland. Kaum jemand schert sich um die aktuelle Flüchtlingskrise in Europa. Die Griechenland-Rettung und die Euro-Krise allerdings machten hier Schlagzeilen und viele Kommentatoren schienen Sympathie für Deutschlands harte Haltung zu haben.
Mehr als alle anderen Nachrichten aus Deutschland hat jedoch jüngst die Affäre um den deutschen Autobauer Volkswagen eingeschlagen, der Emissionswerte in den USA verfälscht hat. Der Skandal kam für die Inder überraschend, weil sie deutsche Autos bisher für sicherer und technisch besser hielten - im Gegensatz zu Autos japanischer oder südasiatischer Hersteller, die zwar als spritsparender, aber auch als weniger zuverlässig galten.
Gegenseitige Wertschätzung
Auf der Frage-Antwort-Seite Quora berichtete ein Student der Computerwissenschaften, was Deutsche über Inder denken. Wieviele Menschen das interessiert, zeigt die Tatsache, dass seine Schilderung auf Quora nahezu 75.000 Mal abgerufen wurde.
Er schreibt, dass würziges indisches Essen so beliebt sei bei Deutschen, dass sie die Berliner Mauer schon viel früher eingerissen hätten, hätten sie gewusst, dass es auf der anderen Seite herzhaftes indisches Essen gäbe.
Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Inder lieben Bretzeln, Käse und Bier. Kein Wunder, dass angesichts von Deutschlands zunehmender Beliebtheit in Indien Kanzlerin Angela Merkel dem Land einen Besuch abgestattet hat, um die Beziehungen noch enger zu gestalten.
Shivam Vij ist freier Autor und Journalist in Neu Delhi. Er schreibt für eine Reihe von internationalen Medien wie für dw.com.