Mehr als 40 Tote bei Massenpanik in Israel
30. April 2021Bei einer Massenpanik auf einem großen jüdischen Fest auf dem Meron-Berg im Norden Israels sind nach offiziellen Angaben mindestens 45 Menschen ums Leben gekommen. Etwa 150 Personen wurden verletzt, viele von ihnen lebensgefährlich.
"So etwas habe ich noch nie gesehen"
Die Hilfsorganisation Magen David Adom (MDA) sprach von einer "unfassbaren Katastrophe". Ein Sprecher des Rettungsdienstes Zaka sagte: "Ich bin seit mehr als 20 Jahren beim Rettungsdienst, so etwas habe ich noch nie gesehen." Israels Präsident Reuven Rivlin erklärte, er verfolge die Berichte aus dem Ort Meron und bete für die Genesung der Verletzten. Auch Regierungschef Benjamin Netanjahu zeigte sich bestürzt.
Das Treffen vor allem strengreligiöser Israelis in dem Wallfahrtsort fand anlässlich das Lag BaOmer-Festes statt. Auf Videos in sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie die Menschen vor dem Unglück dicht gedrängt und ausgelassen sangen, tanzten und hüpften. Aus Polizeikreisen hieß es, die Panik sei ausgelöst worden, nachdem Menschen auf einer abschüssigen Rampe mit Metallboden und Wellblech-Trennwänden auf beiden Seiten ins Rutschen kamen. Die dicht gedrängten Feiernden seien dann übereinander gefallen.
Vorwürfe gegen die Polizei
Augenzeugen warfen der Polizei vor, sie habe Leute in das abgesperrte Areal gelassen, obwohl es schon extrem voll gewesen sei. Nach Beginn der Panik hätten die Beamten dann nicht schnell genug Ausgänge auf der anderen Seite geöffnet, so die Kritik. Insgesamt waren rund 5000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Die Behörden hatten die Teilnehmerzahl auf 10.000 Pilger beschränkt, nach Medienberichten reisten aber bis zu zehnmal mehr aus ganz Israel nach Meron.
Nach dem Unglück begann die Polizei mit der Suche nach den Ursachen. Man habe erste Ermittlungen aufgenommen, sagte der zuständige Polizeichef Schimon Lavi. "Es war eine schlimme, tragische Nacht", sagte er. "Ich trage die übergreifende Verantwortung, im Guten wie im Schlechten." Er sei "zu jeder Prüfung bereit".
"Israels schlimmste Tragödie"
Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte Dov Maisel, Mitglied der freiwilligen Sanitätsorganisation United Hatzalah: "Was als ein Fest der Freude, des Glücks und des Tanzes begann, wurde zu Israels schlimmster Tragödie." Zu der panischen Flucht habe unter anderem der Umstand geführt, dass Tausende von Menschen sich in einem sehr, sehr kleinen Bereich aufgehalten hätten und dies einfach das Fassungsvermögen der engen Gassen überfordert habe.
Neben der Größe der Menschenmassen spielte laut Maisel auch die Corona-Pandemie und der Zeitpunkt des Festivals eine Rolle. "Es war das erste große Ereignis nach der Aufhebung der COVID-Beschränkungen", sagte er und merkte an, dass die Menschen sich ermutigt fühlten, "hinauszugehen und ihre religiösen Überzeugungen und Zeremonien zu praktizieren." Der zweite Faktor sei die Tatsache, dass das Festival vor dem Wochenende stattfand. "Weil sie orthodoxe Menschen sind, müssen sie am Freitag vor Sonnenuntergang zurück sein. Also reduziert sich der ganze Druck auf diese eine sehr kurze Zeitspanne von Donnerstagabend."
Auch Politiker im Ausland zeigten sich bestürzt. Der deutsche Außenminister Heiko Maas twitterte:
Nach der Massenpanik bekundete US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat mit Netanjahu im Namen des amerikanischen Volkes sein "tiefes Beileid". Biden sprach von einer "schrecklichen Tragödie": Es sei herzzerreißend, dass Menschen bei der Ausübung ihres Glaubens gestorben seien. "Unsere Gebete sind bei denen, die verletzt wurden, und bei all denjenigen, die Angehörige verloren haben", betonte Biden. Der US-Präsident habe sein Team angewiesen, Israel bei der Bewältigung der Katastrophe und der Versorgung von Verletzten Unterstützung anzubieten, hieß es weiter.
Erinnerung an Aufstand gegen Römer
Lag BaOmer ist ein Fest, bei dem unter anderem an den jüdischen Aufstand gegen die römischen Besatzer in den Jahren 132 bis 135 erinnert wird. Rabbi Schimon Bar Jochai, der an dem Aufstand beteiligt war, wurde auf dem Meron-Berg bestattet. Sein Grab ist ein Wallfahrtsort.
sti/wa/bru/kle (dpa, afp)