Meghan & Harry: Windsor im Hochzeitsfieber
18. Mai 2018Seit Sonntag harrt Terry Hutt vor Schloss Windsor aus. Die Nächte verbringt der 83-Jährige im Freien. Er schläft in einem Schlafsack auf dem Gehweg. "Ich mache das, seit ich vier Jahre alt war. Ich habe mittlerweile Routine", sagt Hutt stolz. Seit er vor knapp 80 Jahren einen Blick auf "Queen Mum", die Mutter der amtierenden Königin Elisabeth, erhaschen konnte, habe er kein königliches Großereignis ausgelassen: die Krönung von Königin Elisabeth, ihre Hochzeit, die Geburt ihres ersten Sohnes Charles, seine Hochzeit mit Diana - und jetzt die Hochzeit von deren Sohn Prinz Harry mit der US-Schauspielerin Meghan Markle.
"Ich habe den besten Platz. Selbstverständlich werde ich das Brautpaar sehen. Die werden nach dem Gottesdienst im Schloss genau hier mit der Kutsche vorbeifahren", sagt Hutt, bevor er von dem Brautpaar zu schwärmen beginnt. Wie Terry Hutt haben etwa 30 weitere Menschen die letzten Nächte auf der Straße geschlafen. Bis Prinz Harry und Meghan Markle sich Samstagmittag das Ja-Wort geben, werden noch etliche dazu kommen. Die Polizei im 32.000-Einwohner-Städtchen Windsor rechnet mit etwa 100.000 Besuchern aus aller Welt - die größte Menschenmenge, die in Windsor je verzeichnet wurde. Auf dem TV-Bildschirm und im Internet werden schätzungsweise bis zu zwei Milliarden Menschen den Festakt verfolgen.
Eine neue "Prinzessin der Herzen"?
Für Andrew Morton ist die Braut, die US-Schauspielerin Meghan Markle, der Grund für die Aufregung. Sie sei charmant, intelligent und könne mit der Aufmerksamkeit um ihre Person gut umgehen, so ihr Biograph im Gespräch mit der DW. Andrew Morton wurde in den frühen 1990er Jahren mit einer Skandal-Biographie über Prinzessin Diana bekannt. Über Meghan Markle veröffentlichte er vor kurzem das Buch "Von Hollywood in den Buckingham-Palast. Ein modernes Märchen". Dieser Aufstieg sei es, der so viele Menschen begeistere und das große Interesse an der Hochzeit wecke.
Markle bringe mit ihrem Werdegang frischen Wind in das Königshaus, so der Autor. Die 36-Jährige ist bereits geschieden und engagiert sich für Frauenrechte und Entwicklungshilfe. Durch ihre afroamerikanische Abstammung mütterlicherseits werde sie die "Windsors" inklusiver machen, so Morton: "Meghan Markle wird die Art und Weise verändern, wie die Briten das Königshaus sehen. Die verschiedenen ethnischen Gemeinden in Großbritannien sagen bereits, dass sie sich dank ihr besser repräsentiert fühlen."
Doch die Hochzeit mit Prinz Harry hat ihren Preis. Nach dem Bekanntwerden der Verlobung im Vorjahr musste Meghan Markle nicht nur ihre Schauspielkarriere aufgeben. In den sozialen Netzwerken gab es zahlreiche rassistische Wortmeldungen. In den letzten Tagen beherrschten die zerrütteten Familienverhältnisse der Braut die Berichterstattung über die Hochzeit.
Jeder vierte Brite wünscht sich eine Republik
Markles Biograph Andrew Morton ist überzeugt, dass sie die Kritik wegstecken kann. Sie werde da weitermachen, wo Prinzessin Diana vor ihrem frühen Tod 1997 aufgehört hat: "Sowohl Diana als auch Meghan Markle sind glamourös und setzten sich für das Wohl anderer Menschen ein." Die Schauspielerin sei schon vor ihrer Hochzeit eines der beliebtesten Mitglieder der britischen Königsfamilie - ähnlich wie Diana, die oft als "Prinzessin der Herzen" bezeichnet wurde.
Das Hochzeitsfieber hat aber nicht alle Briten erfasst. Knapp 30 Kilometer östlich von Windsor, in der Hauptstadt London, regt sich Widerstand. Sara Lucas hat mit rund vierzig weiteren Künstlern eine Ausstellung organisiert, die sich Monarchie-kritischer Kunst widmet. Die Exponate zeigen beispielsweise Illustrationen der Mitglieder des Königshauses, über die rote und blaue Farbe läuft. Ein Gemälde trägt den Titel "Remove them", auf Deutsch: "Weg mit ihnen".
Lucas, die den Künstlernamen "Hello the Mushroom" verwendet, wolle eine Diskussion darüber anstoßen, "ob es heutzutage noch sinnvoll sei, eine Königsfamilie zu haben". Im Vorfeld der Hochzeit stört die Künstlerin, wie die englische Presse über Markles Verhältnis zu ihrem Vater und ihren Halbgeschwistern berichtet: "Das geht doch niemanden etwas an. Ich finde es empörend, das dem Privatleben mancher Menschen so viel Zeit gewidmet wird." Lucas werde die Hochzeit am Samstag nicht mitverfolgen. "Eher würde ich Farbe beim Trocknen zusehen", sagt sie. Mit ihrer Haltung ist die Künstlerin nicht allein. Einer Umfrage zufolge wünscht sich ein Viertel aller Briten eine Republik.
Windsors größter Polizeieinsatz
Kritisiert wird auch der teure Polizeieinsatz rund um die Hochzeit. Schätzungen zufolge soll er die britischen Steuerzahler zwischen sieben und 30 Millionen Pfund kosten. Der genaue Betrag ist nicht bekannt. In Großbritannien fand im Vorjahr eine Serie islamistischer Terroranschläge mit insgesamt 34 Toten statt. Die Polizei in Windsor bereitet sich seit Monaten auf den größten Einsatz ihrer Geschichte vor. Für Autos ist die Stadt Windsor ab Freitagabend gesperrt. Besucher müssen durch Sicherheitskontrollen ähnlich wie am Flughafen. Barrieren sollen Anschläge mit Fahrzeugen verhindern.
Falls deutlich mehr als die erwarteten 100.000 Besucher kommen, tritt ein Notfallplan in Kraft, berichten lokale Medien. Die Menschenmassen würden auf freie Felder rund um Windsor geleitet werden, wo sie auf großen Leinwänden die Hochzeit mitverfolgen können. Sollten die bereitgestellten Sonderzüge nicht ausreichen, würden in Windsor gestrandete Besucher die Nacht auf Sonntag in Notunterkünften verbringen können.
Royals-Fan Terry Hutt macht sich darüber keine Sorgen: "Wir haben schon ein paar Flaschen Champagner eingekauft und machen nach der Hochzeit hier vor dem Schloss eine kleine Party." Sollte er es am Samstagabend nicht mehr nach Hause schaffen, dann schlafe er eben nochmal hier. Die Mühe sei es auf alle Fälle wert: "Das wird ein wundervoller Tag!"