Meghan & Harry: Windsor im Freudentaumel
19. Mai 2018Die Menge jubelt, schwenkt Fähnchen mit der Flagge Großbritanniens. Sektkorken knallen. Ein Mann mit kräftiger Stimme ruft "Hip hip", in die Menge, die "Hurray!" zurückruft. Danach stimmen ein paar hundert Menschen die britische Hymne an. Meghan Markle und Prinz Harry haben sich in der St.-Georgs-Kapelle des Schloss Windsor das Ja-Wort gegeben. Vor den Toren des Schlosses warten zehntausende Zaungäste, um nach dem Gottesdienst einen Blick auf das Paar zu ergattern. Viele der Besucher hier warten seit den frühen Morgenstunden, manche sogar seit Tagen. "Ich erkläre Sie hiermit zu Mann und Frau", dröhnt es dann aus den Lautsprechern, die den Festakt aus der Kirche ins Freie übertragen.Einige Minuten später zeigen sich die frisch Getrauten zum ersten Mal dem Volk. In einer offenen Kutsche fahren die Herzogin und der Herzog von Sussex an den Menschenmassen vorbei. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt.
Eine Hochzeit zum Träumen
"Ich liebe die 'Royals'", sagt Jane Gordon aus Lincoln. Die Rentnerin steht seit vier Uhr früh am Straßenrand. Eigens für die Hochzeit hat sie sich einen Hut gebastelt mit selbstgestrickten Puppen von Meghan Markle und Prinz Harry. "Ich war auch schon bei der Hochzeit von Prinz William und Kate dabei. Es war ein fantastischer Tag. Heute wollte ich nicht verpassen", so Gordon. Die Trauungen der "Windsors" seien ein Anlass zu Träumen. Deshalb würden sie auch so viele Leute in ihren Bann ziehen. "Die Leute kommen eindeutig für den ganzen Prunk und Pomp", sagt sie lachend.
John Loughrey harrt seit knapp einer Woche auf dem Gehweg vor dem Schloss aus. Er will unbedingt einer der ersten zu sein, die das Brautpaar zu Gesicht bekommen. "Die Hochzeit von Meghan und Harry ist für mich viel emotionaler als die anderen, bei denen ich dabei war. Die Menschen hier in Windsor sind einfach so nett", sagt der Londoner. "Heute scheint die Sonne und ich wünsche dem Paar noch viel mehr Sonnenschein für die Ehe", sagt Loughrey im Freudentaumel.
Nicht nur hartgesottene Fans der Königsfamilie verbrachten die letzten Nächte vor dem Schloss im Freien. Die "High Street" mit ihren zahlreichen Souvenirläden, Hotels und Restaurants ist auch Schlafplatz der Obdachlosen der Kleinstadt Windsor. Im Vorfeld der Hochzeit sorgten Wortmeldungen eines konservativen Lokalpolitikers für Aufregung, der dazu aufrief, die Wohnungslosen aus dem Zentrum zu schaffen. Ihn hätte niemand aufgefordert zu gehen, so Daniel. "Eigentlich mag ich die Königsfamilie. Sie sind Teil unserer Geschichte", sagt der Obdachlose. "Für mich ist heute ein Tag ohne Sorgen", fügt er lächelnd hinzu. Groll gegen die Königsfamilie und ihren Reichtum hege er nicht. Sie würden auch viel Gutes tun.
Monarchie im 21. Jahrhundert
Die als unabhängig, selbstbewusst und extrovertiert geltende Braut drückt der Hochzeit im Schloss währenddessen ihren Stempel auf. Entgegen der Tradition schreitet sie größtenteils alleine zum Altar. Ein Bischof aus den USA hält auf ihre Einladung eine - für britische Verhältnisse - ungewohnt flammende Rede auf die Liebe und die Kraft des Glaubens. Statt Geschenken bittet das Brautpaar um Spenden für wohltätige Organisationen.
"Meghan hat heute Geschichte geschrieben. Es ist einmalig, dass jemand mit afrikanischen Wurzeln Teil der britischen Königshauses wird", sagt Zynthia Owuse aus London. "Ich bin hier, um meinen Kindern zu zeigen, dass sie alles schaffen können." Die zweifache Mutter sei schon immer ein Fan der Königsfamilie gewesen. Jetzt fände sie die "Windsors" noch besser. "Meghan macht sie offener und moderner. Dank ihr fühlen wir uns besser vertreten."
Meghan Markle werde das Königshaus mit seinen jahrhundertealten Traditionen nicht auf den Kopf stellen, sagt der Schriftsteller und Adelsexperte Andrew Morton. Er veröffentlichte vor kurzem eine unautorisierte Biographie der Braut mit dem Titel "Meghan - Von Hollywood in den Buckingham-Palast. Ein modernes Märchen". "Sie musste für den Eintritt in die Königsfamilie bereits vieles aufgeben: Ihren Job als Schauspielerin, ihren Blog, ihr humanitäres Engagement", so Morton. "Sie ist jetzt wie ein roher Diamant, der vom Palast geschliffen werden wird."
Zufriedene Souvenirhändler, glückliche Besucher
Etwa zwanzig Minuten dauert die Kutschfahrt des Brautpaars. Selbst für die Fans mit den besten Plätzen ist nicht mehr drin als ein Foto mit dem Smartphone. Danach treten Zehntausende den Heimweg an. Zurück bleiben zufriedene Souvenirverkäufer. "Das ist unser erfolgreichstes Wochenende, das wir jemals hatten", sagt Jon Aujal. Seit 17 Jahren betreibt er einen Laden auf der "High Street", direkt gegenüber dem Schloss. Die Pappmasken mit dem Gesicht von Meghan Markle wären komplett ausverkauft. Die Hochzeit soll landesweit dem Souvenirhandel ein Umsatzplus von 75 Millionen Euro bringen.
Gelohnt habe sich die Reise nach Windsor auf alle Fälle, sagen Judy Routley und Helen Johnson. Sie sind extra aus Adelaide in Australien gekommen. Die letzte Nacht haben die Freundinnen am Gehweg geschlafen. Morgen fliegen sie wieder zurück. "Wir wussten, dass wir sie nur ganz kurz sehen würden. Aber uns geht es darum, hier zu sein und diesen Moment miterleben zu können", sagt Johnson lächelnd mit einem Plastikbecher Prosecco in der Hand.