Alzheimer-Medikamente...
11. Dezember 2013In Bonn liegt ein Schwerpunkt der deutschen Alzheimer-Forschung. Dort arbeiten zwei Forschungseinrichtungen eng zusammen: Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und das Forschungszentrum caesar. Wissenschaftler beider Institute arbeiten gemeinsam an der Lösung des Alzheimer-Rätsels.
Alzheimer unterscheidet sich deutlich von anderen Erkrankungen des Nervensystems: So wird das Erinnerungsvermögen der Betroffenen zerstört, insbesondere das episodische Gedächtnis. Es seien ganz banale Dinge, die man da vergisst, "wo habe ich mein Auto geparkt? Wann habe ich das letzte Mal eingekauft? Wann habe ich geheiratet? In welcher Stadt wohne ich?", beschreibt Gabor Petzold, Mediziner am DZNE, die Symptome.
Fähig zum Autofahren - aber wo steht das Auto?
Körperlich wirken die Betroffenen anfangs durchaus noch gesund und körperlich fit. Ihr so genanntes prozedurales Gedächtnis, das unter anderem für Bewegungsabläufe und Körperbeherrschung zuständig ist, wird erst mit fortgeschrittener Erkrankung beeinträchtigt. "Das sind Dinge, die man gelernt hat und die man nicht aktiv abrufen muss, wie beispielsweise das Autofahren oder Fahrradfahren", so der Mediziner.
Am Ausbruch der Krankheit sind vor allem zwei Proteine schuld, die in den Nervenzellen gebildet werden: Das Amyloid-Beta-Protein und das Tau-Protein. Beide kommen auch bei gesunden Menschen vor. Alzheimer bricht erst dann aus, wenn die Konzentration dieser Proteine zunimmt und sie verklumpen. Dann bilden sich die gefürchteten Ablagerungen, so genannte Plaques im Gehirn.
Das Amyloid-Beta-Protein verklumpt dabei außerhalb der Nervenzellen, das Tau-Protein hingegen in den Nervenzellen. Dadurch kommt es zu einer Zerstörung der Nervenstränge und der Synapsen, die Informationen zwischen den Zellen weitergeben.
Nebenwirkungen behindern Therapien
Zwar gibt es noch kein wirksames Medikament gegen Alzheimer, aber es gibt verschiedene Forschungsansätze. Alle haben eines gemeinsam: Sie zielen darauf ab, die Konzentration der beiden Proteine zu verringern und ihre Verklumpung zu verhindern. Entweder dadurch, dass man die Proteine schneller aus dem Gehirn wegtransportiert oder die Verklumpung von Anfang an hemmt.
Ein wichtiger Ansatz könnte ein Impfstoff sein, hofft Neuroimmunologin Annett Halle vom Forschungszentrum caesar. "Es gibt eine aktive Impfung. Man regt das Immunsystem an, ein Antigen gegen das Amyloid-Beta-Protein zu bilden. Damit soll dessen Konzentration im Gehirn gesenkt und die Verklumpungen reduziert werden."
Die Idee ist gut, mit der Umsetzung hapert es jedoch noch. Zwar habe man im Mausmodell schon eine Verringerung der Plaques durch Impfung erreicht. Allerdings sei dies auf den Menschen nicht so einfach übertragbar, da es zu Nebenwirkungen kam. "Das Immunsystem hat überreagiert und es ist zu Entzündungen gekommen", sagt die Forscherin. "Eine größere Studie musste aus diesem Grund abgebrochen werden."
Auch die Aktivierung von Immunzellen, sogenannten Mikroglia-Zellen, die in der Lage sind, das Amyloid-Beta-Protein aufzufressen und abzutransportieren, funktioniert bislang nicht. Denn in Laborversuchen fand Annett Halle heraus, dass zu viele Immunzellen die Nervenzellen schädigen können, die man ja eigentlich schützen will.
Ein anderer Ansatz der Forscher besteht in der Blockade bestimmter Emzyme, so genannten Sekretasen, die das Amyloid-Beta-Protein aus einem Vorläuferprotein in der Zelle bilden. Allerdings gibt es auch hierbei ein Problem: Einige dieser Enzyme sind nämlich nicht nur für die Bildung des Amyloid-Beta-Proteins verantwortlich, sondern auch notwendig für andere wichtige Prozesse im Gehirn.
Welches Protein ist wichtiger?
Die Medizinerin Eva-Maria Mandelkow und ihr Mann und Forscherkollege Eckhard Mandelkow sind überzeugt, dass eine erfolgreiche Therapie weniger das Amyloid-Beta sondern vielmehr das Tau-Protein angreifen sollte. "Wir glauben, dass es das Tau-Protein ist, das die Nervenzellen zum Absterben bringt", sagt die Forscherin.
Bei gesunden Menschen stabilisiert das Tau-Protein sogenannte Mikrotubuli. Das sind Schienen, auf denen die Bausteine der Zellen durch die Nervenstränge wandern. Löst sich das Tau-Protein von diesen Mikrotubuli ab, zerfallen die Schienen, der Transport funktioniert nicht mehr und die Nervenzelle stirbt ab.
Durch Versuche mit speziell gezüchteten Gen-Mäusen, die eine Alzheimer-Veranlagung hatten, konnte das Forscherehepaar nachweisen, dass die Demenz dann auftritt, wenn Tau-Verklumpungen (so genannte Aggregate) gebildet werden.
Indem sie die Bildung von krankhaften Tau-Proteinen durch einen Gen-Trick ausgeschaltet hatten, gelang es den Wissenschaftlern, Mäusen, die bereits dement waren und Nervenzellen verloren hatten, ihr Erinnerungsvermögen zurückzugeben. Die Mäuse konnten nach vier Wochen wieder lernen. Da es sich allerdings um einen genetischen Trick im Mausmodell handelt, sind die Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar. Trotzdem sind sie für Eckard Mandelkow der Schlüssel zum Erfolg.
Auf der Suche nach der richtigen Substanz
"Wenn es irgendwie gelingt, das Tau-Protein in seiner Wirkung auszuschalten, haben wir gewonnen, weil sich die Synapsen dann wieder zurückbilden können", sagt der Spezialist für Proteine des Zellskeletts. Aus diesem Grund konzentrieren die Mandelkows ihre Forschungen jetzt darauf, einen Stoff zu finden, der die Tau-Protein-Verklumpung verhindern kann.
Über 200.000 Stoffe hat das Forscherehepaar mit ihren Mitarbeitern bereits untersucht. "Wir haben einige gefunden, die nicht nur im Reagenzglas die Verklumpung des Tau-Proteins verhindern, sondern die Verklumpung auch wieder auflösen", frohlockt Eva-Maria Mandelkow.
Zwar funktioniert auch das noch nicht am Menschen, aber zumindest bei Versuchen mit Würmern zeigten sich erste Erfolge. Würmer, die bereits Tau-Plaques gebildet hatten und dadurch gelähmt waren, bewegten sich wieder, nachdem sie einen sogenannten Aggregationsinhibitor bekommen hatten.
Bis solche Medikamente für den Menschen entwickelt werden, dürften noch viele Jahre vergehen. Doch schon jetzt können Menschen die Entstehung von Alzheimer zumindest verzögern, versichert die Forscherin: Und zwar mit Sport. Im Mausversuch konnte sie nachweisen, dass Mäuse, die viel im Laufrad rennen, wesentlich später dement werden. Der Mediziner Gabor Petzold pflichtet ihr bei. "Alzheimerpatienten leiden viel häufiger an einer Durchblutungsstörung im Gehirn als Menschen, die keine Alzheimererkrankung haben."
Durchblutungsstörungen und die Entstehung von gefährlichen Ablagerungen bilden dabei einen regelrechten Teufelskreis. Die Plaques verhindern die natürliche Erweiterung der Blutgefäße, so dass es zu Durchblutungsstörungen kommt. Durchblutungsstörungen haben wiederum zur Folge, dass die Plaques nicht ausreichend abtransportiert werden. Dadurch erhöht sich ihre Konzentration noch weiter. Vermutlich ist auch das ein Grund dafür, dass Diabetes und Bluthochdruck Risikofaktoren für Alzheimer sind.