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Medien in der Ukraine im Umbruch

13. Oktober 2005

Mit der "orangefarbenen Revolution" und dem Amtsantritt von Präsident Wiktor Juschtschenko hat man in der Ukraine Hoffnungen auf Veränderungen auch in der Medienpolitik verbunden. Haben sich diese Hoffnungen erfüllt?

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Einen öffentlich-rechtlichen Sender gibt es im ukrainischen TV-Angebot noch nichtBild: BilderBox

Die "orangefarbene Revolution" hat den ukrainischen Journalismus qualitativ verändert. Das meint Walerij Iwanow, Präsident der Ukrainischen Presseakademie. Er sagte der Deutschen Welle: "Erst nach der friedlichen Revolution begannen die ukrainischen Journalisten, die allgemein anerkannten Grundsätze der demokratischen Medien anzuwenden. In den Zeiten der Ex-Präsidenten Kutschma und Krawtschuk schrieben die Journalisten grundsätzlich nur von einem Standpunkt aus und gaben die Informationsquellen nicht an. Diese Quellen konnten auch nicht angegeben werden, denn es waren in der Regel die sogenannten 'temniki' - geheime Anweisungen aus der Administration des Präsidenten."

Ausgewogene Berichterstattung

So wie es aussieht, sind die "temniki" endgültig Geschichte geworden. Der Medienexperte Iwanow sagte: "Die Informationen der meisten Medien sind viel ausgewogener. Kontroverse Ereignisse werden von unterschiedlichen Standpunkten aus beleuchtet, was früher unmöglich war." Im Fernsehen gibt es sowohl hinsichtlich der Themen als auch der Personen keine Tabus mehr. Sehr anschaulich hat dies neulich der Rücktritt der Regierung von Julija Tymoschenko gezeigt, bei dem sowohl Meinungen des Tymoschenko-Lagers als auch von Juschtschenkos Vertretern vorgestellt wurden. Iwanow meint dazu: "Diese Situation ist ganz neu im Vergleich zu dem, was man während Kutschmas Präsidentschaft sehen konnte. Vor kurzem konnte man sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein in Ungnade gefallener Politiker in einem der populärsten Sender zur Prime-Time erscheint und dass man ihm genug Zeit lässt, seine Position zu begründen, wie wir das im Falle von Julija Tymoschenko gesehen haben."

"Noch keine vierte Macht"

Der Leiter des Kiewer Instituts für Masseninformation, Serhij Taran, sagte der Deutschen Welle, die Regierung habe noch nicht verstanden, wie sie mit unabhängigen Medien umgehen solle. Er fügte hinzu: "Inzwischen ist zu beobachten, dass die Presse absolut alles schreiben kann, während die Regierung versucht, offensichtliche Fakten zu ignorieren. Auf von Medien geäußerte Kritik wird nicht reagiert." Deshalb, so Taran, könne man nicht sagen, dass die Medien in der Ukraine tatsächlich eine vierte Macht darstellten.

Aufteilung des Medienmarktes

Ein weiteres Problem ist, dass die Machthaber immer wieder versuchten, den Medienmarkt unter sich aufzuteilen. Die großen privaten Medien in der Ukraine gehören eigentlich nur zwei Familien, die dem Kutschma-Regime sehr nahe standen. Die nun in Aussicht gestellte Neuverteilung des Medienmarktes ist eine heikle Sache. Taran meint in diesem Zusammenhang: "Wir haben vor kurzem gesehen, wie Präsident Juschtschenko sich mit dem internationalen Medien-Mogul Ruppert Murdoch traf und mit ihm die Übernahme eines ukrainischen Senders besprochen hat. Dabei sei von einem privaten Sender die Rede gewesen. Die Experten waren sehr erstaunt darüber, dass der Präsident sich mit eventuellen Übernahmen von Privatmedien beschäftigt."

Prinzipien-Untreue unter Journalisten

Ein weiteres Problem der ukrainischen Medienlandschaft ist, dass nicht alle Journalisten bei ihrer Arbeit nach den Grundsätzen der demokratischen Presse verfahren. Außerdem werden diese Prinzipien oft gegen bestimmte Vorteile getauscht, wie man das während der letzen Präsidentschaftswahlen beobachten konnte. Es besteht daher die Gefahr, dass bei den Parlamentswahlen 2006 die ukrainischen Medien auf diese oder jene Seite der untereinander konkurrierenden politischen Machtgruppen gezogen werden. Dies hängt aber nicht zuletzt davon ab, ob die Regierung ihr Versprechen, unabhängige Medien zu fördern, konsequent realisieren wird.

Wann kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk?

Beispielhaft ist die Gründung eines öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Erste Schritte in diese Richtung konnte man bereits beobachten. Die Chefredakteurin der Internet-Zeitschrift "Telekritika", Natalija Ligatschowa, sagte der Deutschen Welle: "Im Winter 2005 wurde ein Verband von NGOs unter dem Namen 'Öffentliches Fernsehen' gegründet, der eine Reihe wichtiger Dokumente erarbeitet hat. Diese wurden zur Grundlage für die Gesetzesvorlage 'Über das öffentliche Fernsehen', die im Juni dieses Jahres dem ukrainischen Parlament vorgelegt wurde." Doch das Parlament hat das Gesetz noch nicht verabschiedet.

Juschtschenko selbst sagte vor kurzem, er halte die Gründung eines solchen Fernsehens für verfrüht. Dabei liegen schon seit längerem Pläne vor, den "Ersten Kanal" - den wichtigsten staatlichen Sender - in ein öffentlich-rechtliches Fernsehen umzubauen. Doch die Vermutung liegt nahe, dass Juschtschenkos Umfeld seinen Einfluss auf diesen bedeutenden Sender, der 98 Prozent der Ukraine abdeckt, gerade vor den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr nicht verlieren will.

Khrystyna Nikolaychuk
DW-RADIO/Ukrainisch, 6.10.2005, Fokus Ost-Südost