Der BND experimentierte mit Nowitschok
16. Mai 2018Weil Nowitschok einst in der Sowjetunion entwickelt wurde, richteten sich die Vorwürfe des Westens nach dem Anschlag auf Sergej Skripal und seine Tochter gegen Russland. Nun wollen "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR gemeinsam mit der "Zeit" herausgefunden haben, dass sich Deutschland Mitte der 90er Jahren eine Probe des Nervengifts verschaffte.
Regierung in Berlin nimmt keine Stellung
Durch einen Überläufer aus Russland sei der deutsche Auslandsgeheimdienst BND an den gefährlichen chemischen Kampfstoff gekommen. Auch die Bundeswehr sei in den Vorgang eingebunden gewesen, berichten die Medien unter Berufung auf Personen, die an der Entscheidung beteiligt gewesen seien. Die Regierung in Berlin und der BND erklärten, zu "nachrichtendienstlichen Angelegenheiten grundsätzlich nur den geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages" zu informieren.
Moskau dementiert Täterschaft
Skripal und seine Tochter Julia waren Anfang März im südenglischen Salisbury vergiftet worden. Großbritannien geht davon aus, dass dabei ein Stoff aus der Nowitschok-Klasse verwendet wurde, und macht Russland für den Anschlag verantwortlich. Der Kreml weist die Vorwürfe von sich und verweist darauf, dass das Gift, mit dem die Skripals angegriffen wurden, in mehreren Ländern hätte produziert werden können.
So hatte Tschechiens Präsident Milos Zeman zugegeben, dass auch in seinem Land noch vor wenigen Monaten mit einer Nowitschok-Variante experimentiert wurde.
Probe wurde in Schweden untersucht
Laut dem Medienbericht war die damalige BND-Operation innerhalb der Bundesregierung umstritten. "Wir wollten auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als würden wir uns für Chemiewaffen interessieren", wird eine mit den damaligen Diskussionen vertraute Person zitiert. Mit Wissen von Kanzleramt und Verteidigungsministerium sei die Probe in einem schwedischen Labor analysiert worden. Was aus der Probe wurde, ist laut dem Bericht unklar.
Auf Weisung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl habe der BND einige seiner engsten Partner, darunter US- und britische Geheimdienste unterrichtet. Um das gute Verhältnis zum damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin nicht zu belasten, entschied sich die Bundesregierung laut dem Bericht, die Existenz von Nowitschok nicht öffentlich zu machen.
uh/kle (dpa, afp, rtr)